Macht und Fußball in Nordmazedonien: Nur eine Blume im Garten
Der Sport zeigt dem kleinen Balkanland, dasss Vielfalt besser ist als alte Träume von homogenen Völkern. Und der Tourismus verändert es.
E s ist die Zeit der osmanischen Besatzung in Nordmazedonien, und der Sohn des Paschas hat Geburtstag. Da erscheint ein Vertreter eines kleinen christlichen Dorfs; er schenkt dem Sohn das beste Pferd der Region. Der Vater, der große Pascha, sagt dem Mann: „Du hast einen Wunsch frei.“ Da sagt der: „Ich brauche keinen Wunsch, nur einen Rat. Wenn du einen Blumengarten hättest mit nur einer Sorte, die wunderschön ist, und eine andere Sorte setzte sich dazu, die auch wunderschön ist, was tätest du?“
Der Pascha erwidert ohne Zögern: „Ich ließe die neue Sorte ausreißen, damit die Homogenität wiederhergestellt ist.“ Da erzählt der Mann aus dem christlichen Dorf, dass sich kürzlich muslimische Familien bei ihnen angesiedelt hätten. „Wir wollen sie nicht vertreiben. Aber wir bitten darum, sie zum Christentum konvertieren zu dürfen.“ Und das sei geschehen. Das einzige Mal überhaupt im Osmanischen Reich.
So erzählt es mir Aleksandar Kržalovski, Direktor einer NGO im nordmazedonischen Skopje. Das Dorf in der Legende ist sein Heimatdorf. Und der Traum vom homogenen Blumengarten führt mitten hinein in die komplizierte Balkanpolitik, in die Träume von Großserbien, Großalbanien, Großbulgarien, und das kleine Nordmazedonien, das immer im Wege steht gegen die Illusion von Eindeutigkeit, die es nie gäbe. Und aktuell zu höflich sei, findet Krzalovski. Er hat zum Interview in ein Restaurant geladen, „das vielleicht beste der Stadt“. Vor Ort stelle ich etwas erschrocken fest, dass das wörtlich gemeint war. Aber Kržalovski besteht darauf, mich einzuladen. Und mich anschließend zum Sightseeing zu fahren.
Der NGO-Direktor ist ein Konservativer, ein Fan der alten nationalistischen Regierung von Nikola Gruevski, was ich für zumindest ungewöhnlich in seiner Branche halte. Ein Fan nordmazedonischer Stärke. Die sichtbarsten Relikte der alten Regierung in Skopje sind die berüchtigten megalomanischen Neubauten: pseudo-antike Säulenpaläste und Triumphbögen, an jeder Ecke eine klobige Statue mit Nationalhelden und vor allem ein kolossaler Alexander der Große, um den man sich mit Griechenland streitet.
„Wie Disneyland“, kommentiert Kržalovski trocken. Die Gefühle der EinwohnerInnen darüber seien eher gemischt. Auch er findet den nationalen Pomp etwas lächerlich, aber die Baustrategie sei nicht falsch. „Ich finde es schöner als die brutalistische Architektur der Jugoslawienzeit. Und touristisch macht es Sinn.“ Dass man Geld ja vielleicht sinnvoller verwenden könnte, lässt er nicht gelten. Es kämen jetzt sehr viele ChinesInnen und JapanerInnen. „Sonst kämen die doch nie nach Skopje.“
Womit er vermutlich recht hat. Ich denke, welche absurden Blüten dieser Kapitalismus doch treibt, dass man etwas baut, damit JapanerInnen darüber schmunzeln. Aber waren all die Paläste und Kirchen anderer Städte einst weniger megalomanisch, weniger verschwenderisch? Eher nicht. Das, was heute als künstlich gilt, wird auch in Skopje bald gute alte Geschichte sein.
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