MC Fitti mit neuem Album und Buch: Gebt mir noch 'nen Nebenjob
In seinem literarischen Debüt klärt MC Fitti Fragen, die man noch nicht gestellt hat. Und auf dem neuen Album spricht er seiner Zielgruppe aus dem Herzen.
Sie kennen nicht den Unterschied zwischen Snapback und Fitted? Haben noch nie von den Flamingo-Girls gehört? Kommunizieren nicht vorzugsweise mit Emoticons? Wollten auch noch nie wissen, wie man den Geilon-Nerv trifft? Und haben echt keine Lust, jetzt zu lernen, was das Adjektiv „laser“ bedeutet?
Ja, Pech: Trotzdem auf das allerherzlichste willkommen in der Welt von MC Fitti. MC Fitti, das ist dieser lustige Typ mit dem langen Bart, den sie vielleicht aus dem Fernsehen kennen. Und wenn nicht von dort, dann bestimmt aus der Werbung für eine Unterhaltungselektronik-Fachmarktkette. Fitti, das ist der mit den nicht allzu überragenden Fähigkeiten als Rapper und den geradezu teuflisch anmutenden Kompetenzen als Produktplatzierer, 360-Grad-Vermarktungsfläche und Allround-Witzbold.
Zugegeben: Die Karriere von Dirk Witek, geboren in Gifhorn vor 38 Jahren, wohnhaft in Berlin, ist eine der erstaunlichsten, die der deutsche Rap zu bieten hat. Platz zwei in den deutschen Album-Charts für das im vergangenen Jahr erschienene Debüt „Geilon“, ausverkaufte Tourneen, lukrative Werbedeals. Deshalb wird diese Karriere nun fortgesetzt und die Produktpalette weiter ausdifferenziert: Das neue Album „Peace“, auf dem die von Fitti gewohnte Mischung aus spaßigen Raps und gemütlichen Electro-Beats zu finden ist, wird flankiert von einem, nennen wir es: Druck-Erzeugnis.
Dieses trägt den Titel „Aus meinem Auspuff kommt Konfetti“, wird von seinem Verfasser MC Fitti in der Einleitung als „Mach-mal-mit-Buch“ bezeichnet, bedient ein Publikum mit Hang zum Aufmerksamkeitsdefizit, glänzt durch ein Layout aus der Farbhölle und klärt den Großteil der weiter oben bereits aufgeworfenen Fragen – und einige mehr, die man sich noch nicht gestellt hat.
MC Fitti: „Peace“ (Styleheads Music/ Groove Attack)
MC Fitti: „Aus meinem Auspuff kommt Konfetti“. Knaur, 160 Seiten, 9,99 Euro
Nicht, dass Fittis literarisches Debüt keinen Mehrwert besäße. So erfährt man, wie man selbst einen Mini zum Tourbus befördern kann, warum die Country-Band Truck Stop Humor hat, wie man T-Shirts bedruckt und Lebensweisheiten wie „Party ist eine Einstellungssache“. Aber auch, ein wenig versteckt, das Geheimnis seines Erfolgs: „Einige finden am Fitti-Hype ja am unglaublichsten, dass da ein Typ aus dem Handwerk ins Showbiz reingerutscht ist. Das sind oft Leute, die große Ehrfurcht vorm Showbiz haben und Handwerker für stulle halten. Bei mir ist das umgekehrt. Für mich ist die Sozialisation in einer ehrlichen Arbeit die Garantie dafür, dass ich den Showbiz-Kram nicht allzu ernst nehme.“
„Fünf Minuten länger kacken, fünf Minuten länger Pause“
Dass seine Strategie nicht ganz doof ist, bewies er bei einem denkwürdigen Fernsehauftritt. In der Talkshow von Markus Lanz konterte Fitti die peinlichen Ranwanz-Versuche des damaligen Bundesministers Dirk Niebel mit penetranter Freundlichkeit. Dann sagte er Sachen wie: „Fünf Minuten länger kacken, fünf Minuten länger Pause.“ Dass dem Moderator und seinen Gästen angesichts eines klassischen Bauarbeiterspruchs die Kinnladen herunterfielen, darauf ist Fitti so stolz, dass er mit dem Zitat sein Buch eröffnet.
Fitti lässt sich ein auf das Spiel, aber er hält Abstand, indem er sich immer wieder auf seine Vergangenheit als Kulissenbauer und die Geheimcodes seiner Clique vom Ostkreuz bezieht. Vor allem verpackt er die Ressentiments seines Publikums gegen wahlweise Arbeitgeber, Intellektuelle oder einfach die da oben in eine unterhaltsame Form.
Empfohlener externer Inhalt
Ob er auf dem neuen Album übers gepflegte Faulsein rappt („Schuften ist Silber, Nixtun ist Gold / Mehr als Freizeit habe ich nie gewollt“), gute Ratschläge verteilt („Macht euch locker, das Leben ist eine Hüpfburg“), sich ironisch mit dem Kapitalismus auseinandersetzt („Arbeit macht Mega-Bock / Gebt mir noch ’nen Nebenjob / Doppelschicht – Doppel-Bock / Gute Laune, Arbeit rockt“) oder die Vorzüge von Smart-Phones diskutiert („Gegen mein Galaxy kommt deine Nikon nicht an“), stets spricht er seiner Zielgruppe aus dem Herzen. Da wird sogar das Product-Placement vom heutzutage anscheinend unverzichtbaren Übel zur Kunstform.
So ist Fitti extrem anschlussfähig geworden: Auf dem neuen Album gibt sich Sido als Gast-Rapper die Ehre, Fitti selbst spielt in einem DJ-Ötzi-Video mit und geht im Oktober auf Lesereise. Er tritt bei der Teenie-Sendung „The Dome“ ebenso auf wie beim Splash-Festival, dem heiligen Gral des deutschen HipHop, ist Gast in der Pseudo-Doku-Soap „Berlin – Tag & Nacht“ und engagiert sich für eine Alphabetisierungskampagne. Fitti kann alles, darf alles. Sogar blöde Fragen beantworten, die man gar nicht gestellt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe