M23-Rebellen in Uganda: Rückholaktion endet in Chaos
Der Versuch, über 1.000 kongolesische Kämpfer aus Uganda zurück zu holen, scheitert. Nur ein Teil wurde von Kongos Regierung amnestiert.
ENTEBBE taz | Umgeben von Heuschreckenschwärmen im grellen Scheinwerferlicht marschieren 120 zerlumpte Rebellen die Landebahn von Ugandas internationalem Flughafen in Entebbe entlang. Eine kongolesische Militärmaschine steht bereit, um die Männer in ihre Heimat zu bringen. Soldaten von Ugandas Luftwaffe beobachten die Szenerie in Habachtstellung.
Höchste Sicherheitsstufe ist angesagt: Ugandas Staatsminister für Auswärtiges, Ugandas und Kongos Militärgeheimdienstchefs, internationale Beobachter der UN und westliche Botschaften kommen mit ihren Limousinen angefahren. Von einem Lastwagen werden hunderte Kalaschnikow und Raketenwerfer ins Flugzeug verladen. Waffen, die die Rebellen bei ihrer Flucht nach Uganda aus Kongo mitgebracht hatten.
Ugandas Regierung übergibt an diesem Dienstagabend 120 kongolesische Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) an Kongos Regierung – um das Gesicht zu wahren und das vor rund einem Jahr unterzeichnete Abkommen von Nairobi zu erfüllen. Dieses soll nach fast zwei Jahren Krieg im Ostkongo wieder Frieden herstellen.
Seit über einem Jahr sind die M23-Rebellen in Uganda gestrandet. Sie hatten sich nach wochenlangen Gefechten mit Kongos Armee im November 2013 ins Nachbarland zurückgezogen und wurden von der ihnen freundlich gesinnten Armee Ugandas ins Militärlager Bihanga im Westen des Landes einquartiert. Die M23-Führer wurden in einem Haus in Kampala untergebracht.
In der am 12. Dezember 2013 von Kongos Regierung und M23-Rebellen unterzeichneten Erklärung war vorgesehen, dass die M23 ihrem bewaffneten Kampf abschwört und sich in eine politische Partei verwandelt. Die Regierungsseite hatte zugesagt, dass sie ein Amnestiegesetz verabschiedet und die Rebellen im Rahmen eines Demobilisierungsprogramms ins zivile Leben zurückkehren lässt.
Panik in der Führung der M23
Die Umsetzung der Vereinbarungen geriet jedoch ins Stocken. Nur rund 400 der 1600 M23 erhielten bislang von Kongos Justizminister Straffreiheit. Die übrigen nicht. In der vergangenen Woche landete eine Delegation aus Kinshasa unter dem Demobilisierungsbeauftragten General Delphin Kahimbi in Uganda, um die Rebellen nach Hause zu holen.
In der M23-Führung brach Panik aus. „Sie können uns nicht mit Gewalt in ein Flugzeug stecken und zurück schicken, die Sicherheit derjenigen, die keine Amnestie haben, ist nicht garantiert“, hatte M23-Präsident Bertrand Bisimwa gegenüber der taz gesagt. Er schrieb an das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und bat darum, aktiv zu werden. Vergeblich.
Am Dienstagmorgen fuhren Lastwagen in die Auffahrt des Militärlager Bihanga, in welchem die M23-Kämpfer untergebracht sind. Sie sollten zum internationalen Flughafen abtransportiert werden und dort ein Flugzeug besteigen: in Richtung Kongo.
In Südkongos Provinz Katanga ist ein Militärlager bereit gestellt, um die Kämpfer unterzubringen. Als die Kämpfer die Lastwagen sahen, brach Chaos aus. Über tausend rannten ins Gebüsch, wo sie sich bis jetzt verstecken. Die Gegend um die Militärbaracken ist fast unbesiedelt.
56 Kilometer entfernt liegt das Flüchtlingslager Rwamanja, wo 50.000 Kongolesen untergebracht sind, die einst vor den M23 geflohen war. Unter den Flüchtlingen brach Panik aus, denn Dutzende verzweifelte Rebellen suchten in dem Lager Schutz. Doch über tausend gut trainierte Rebellen streunen noch immer durch das Gebüsch in Westuganda. Auch Offiziere sind darunter. Sie wissen nicht, wo sie hinsollen. Sie fürchten, mit Gewalt abgeschoben zu werden.
Ugandas Regierung scheint tief gespalten
Lediglich 120 Rebellen waren bereit, in ihre Heimat zurück zu kehren. Wenige Stunden später paradieren sie auf der Landebahn, singen Loblieder auf Kongos Präsidenten Joseph Kabila – ausgerechnet auf denjenigen Präsidenten, gegen den die M23 rebelliert. „Wir sind froh, dass wir in unsere Heimat zurück dürfen“, sagt M23-Oberstleutnant Benjamin Matembera. Die übrigen Kämpfer nicken. Es ist auffällig, dass sich unter den freiwilligen Rückkehrern kein Tutsi befinden, also Kämpfer jener ethnischen Minderheit, die die Rebellion angezettelt hat und den harten Kern der M23 stellt. Gab es die Abmachung, nur die Nicht-Tutsi zurück zu holen?
Ugandas und Kongos Regierungsvertreter schütteln Hände, gratulieren sich überschwänglich, betonen, wie sehr ihnen der Friede in der Region am Herzen liegt - eine skurrile Szene, bedenkt man, wie sehr die beiden Nachbarländer sich immer wieder bekriegt haben. Irgendwie wird man als Beobachter das Gefühl nicht los, dass dies alles nur vorgeführt wird. "Wir sind müde, dass uns die internationale Gemeinschaft stets beschuldigt, den Friedensprozess zu unterwandern", sagt Ugandas Außenminister Okello Oryem und zeigt auf die 120 Kämpfer: "Sie sind der Beweis, dass wir Frieden in die Region bringen", betont er. Dann werden Befehle gegeben, das Flugzeug startklar zu machen.
Die Frage, was mit den übrigen rund tausend M23 wird, ist noch unklar. Auch Rebellenführer Bisimwa und Militärkommandant Sultani Makenga waren nicht darüber informiert, dass ihre Kämpfer abgeschoben werden sollen. Aus Ugandas Regierungskreisen gab es verwirrende Signale: Präsident Museveni hatte ihnen Asyl zugesichert, gleichzeitig hatten Ugandas Außen- und auch der Verteidigungsminister die Kongolesen gebeten, die Rebellen abzuholen.
Ugandas Regierung scheint tief gespalten in der M23-Frage. Der Grund: Es war vor einem Jahr Präsident Musevenis alleinige Entscheidung, den M23 Unterschlupf zu bieten. Die Minister und Geheimdienstler hatten kein Mitspracherecht. Jetzt wollen sie die Rebellen am liebsten loswerden. Es liegt letztlich jedoch in Präsident Musevenis Ermessen, über das Schicksal seiner befreundeten Tutsi-Rebellen zu entscheiden.
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