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Lynchmord an Studentin in NigeriaSprachnachricht als Mordmotiv

Im nigerianischen Sokoto wird eine Studentin gelyncht, weil sie den Islam beleidigt haben soll. Die Verhaftung ihrer Mörder löst weitere Unruhen aus.

Lynchstimmung hinter friedlicher Fasasde: Das Shehu Shagari College in Sokoto, Nigeria Foto: Olu Akinrele / ap

Cotonou taz | Randalierende junge Männer sind am Samstag durch die Stadt Sokoto im Nordwesten Nigerias gezogen. In der Nähe des Palasts von Sultan Sa’ad Abubakar, Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft von Nigeria, sollen sie Brände gelegt haben, außerdem bestätigt die katholische Diözese von Sokoto auf die katholische Kathedrale der Stadt und eine weitere Kirche.

Die bekannte nigerianische Bloggerin Linda Ikeji hat ein Foto von einer Gruppe von jungen Männern gepostet, die ein Pappschild in die Luft recken: „Lasst unsere muslimischen Brüder frei. Muslime sind keine Terroristen“, ist darauf zu lesen.

Die „muslimischen Brüder“ sind zwei junge Männer, die am Freitag nach dem Mord an der Studentin Deborah Samuel verhaftet wurden. Am Donnerstagmorgen versuchte sich die junge Frau mithilfe der Hochschulleitung des Shehu-Shagari-College noch, in einem Raum in Sicherheit zu bringen. Doch ein wütender Mob zerrte sie aus dem Zimmer und auf den Hof. Die meisten nigerianischen Zeitungen verschweigen, wie Deborah Samuel getötet wurde.

In sozialen Medien kursieren Videos, deren Echtheit sich nicht überprüfen lassen: die Studentin wird geschlagen, gesteinigt. Als ihr Körper leblos auf dem Boden liegt, stapeln junge Männer drei Autoreifen über sie. In die wackelige Handy-Kamera zeigt jemand eine Schachtel Streichhölzer. Im Hintergrund sind Allahu-Akbar-Rufe (Gott ist groß) zu hören.

Gouverneur verhängt Ausgangssperre

Auslöser für den Lynchmord soll eine Sprachnachricht in einer WhatsApp-Gruppe gewesen sein. In der Gruppe, in der sich Studierende ausgetauscht hatten, soll sie sinngemäß auf Hausa, der am meisten verbreiteten Sprache im Norden Nigerias, gesagt haben: Diese Gruppe wurde für den Austausch über Termine und Prüfungen geschaffen, aber nicht für „nonsense religious posts“. Das und möglicherweise schon vorherige Sprachnachrichten empfanden andere als Gotteslästerung.

Nach der Ermordung Samuels randalierten Studierende weiter auf dem Campus. Am Samstag verhängte Gouverneur Aminu Tambuwal eine vorerst 24-stündige Ausgangssperre.

Landesweit ist der Lynchmord scharf verurteilt worden. Nigerias Präsident Muhammadu Buhari ließ durch einen Sprecher betonen, dass die Ermordung „besorgniserregend“ sei. Alle Zusammenhänge müssten unparteiisch und umfassend untersucht werden. Auch sei es nicht das Recht von Gläubigen, das Verhalten einer anderen Person zu beurteilen.

Lynchmorde „gehören in die Steinzeit“

Lynchmorde würden in die Steinzeit gehören, sagte Ishaq Akintola, Direktor der muslimischen Gruppierung Muric, die in den vergangenen Jahren immer wieder scharf gegen christliche Bewegungen gewettert hat.

Während in Nigerias Süden überwiegend Chris­t*in­nen leben, ist der Norden muslimisch geprägt. In zwölf Bundesstaaten gilt die Scharia. Unruhen nach angeblicher Prophetenbeleidigung und Gotteslästerung gab es schon öfter. 2016 wurden im Bundesstaat Niger vier Personen getötet, weil sich ein christlicher Händler angeblich abfällig über Prophet Mohammed geäußert hatte.

Auch haben Scharia-Gerichte harte Strafen wegen Blasphemie verhängt. 2020 sollte Yahaya Sharif-Aminu für ein Lied, das er in einer WhatsApp-Gruppe geteilt hatte, mit dem Tod bestraft werden. Dieses Urteil ist zwar aufgehoben worden. Nach derzeitigem Stand kann das Verfahren aber erneut aufgenommen werden.

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