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Luxusschlitten gibt es zum halben Preis

■ Gebrauchtwagen stehen immer länger herum/ Berliner Autos verlieren in vier Monaten 1.300 Mark an Wert/ Lieblingslimousinen der DDR-Nomenklatura im Westen günstiger

Berlin. Unternehmer, Neureiche und Zuhälter sind gestraft. Ihre großen Schlitten sind im Preis so tief gefallen wie noch nie. Ein 600 SEL, der im Gebrauchtwagen- Zentrum von Mercedes Benz in Reinickendorf vor einem Jahr für 200.000 Mark den Besitzer gewechselt hätte, schafft es heute nur auf schlappe 110.000 Mark. „Große Autos sind so günstig wie noch nie“, berichtet der Chef der beiden Gebrauchtwagen-Abteilungen der Berliner Mercedes Niederlassung Hans Andrees. 400 Gebrauchtwagen warten dort auf einen Käufer. Es mache sich bemerkbar, daß es den Berlinern schlechter gehe, die Autoversicherung teurer werde, der Stau auf den Straßen dieser Stadt zu- und die Parkplätze abnähmen.

Andrees ist ehrlich. Seine Kollegen von Ford und VAG (Volkswagen und Audi) versuchen „gut Wetter“ zu machen. Hans-Helmuth Buthenoth, Geschäftsführer beim gleichnamigen Ford-Händler, weiß angeblich nicht, welcher seiner 200 Gebrauchten auf das geringste Interesse seiner Kunden stößt.

Horst Schulz von VAG-Winter behauptet glatt, daß es bei seinen 700 Wagen aus zweiter Hand nach kleinen wie großen die gleiche Nachfrage gäbe. Darüber hinaus warnt Schulz vor „höchst gefährlichen“ Statistiken und Prozentzahlen. Der Chefverkäufer weiß, wovor er warnt. Denn der Autohandel achtet sensibel darauf, wie lange welches Fahrzeug stehenbleibt – und meldet dies in die Bankenmetropole Frankfurt am Main. Dort sitzt das Marktbeobachtungsunternehmen EurotaxSchwacke, und das hat für die Autobranche schlechte Nachrichten – in Prozentzahlen. Wartete im Oktober des Boomjahres 1990 nur jedes vierte Auto länger als drei Monate und nur jedes achte Auto länger als ein halbes Jahr auf einen Käufer, stand im Oktober vergangenen Jahres von einer Million Gebrauchtwagen bereits jeder zweite Wagen länger als drei Monate und jeder vierte Wagen länger als ein ganzes Jahr. Damit ist das Niveau von der Zeit vor der Maueröffnung schlechter geworden.

EurotaxSchwacke beobachtet allerdings nicht die regionalen Unterschiede. In Berlin sei der Markt noch immer teurer als in den Altbundesländern, schätzt Mercedes- Verkäufer Andrees. Seine Autos stünden im Durchschnitt „deutlich unter 100 Tagen“. Regionale Preisunterschiede sind aber auch Andrees nicht bekannt. Die 41 Daimler-Benz-Niederlassungen in der Bundesrepublik seien mit gebrauchten Fahrzeugen ziemlich einheitlich ausgestattet, denn die Bestände werden zentral kontrolliert. Stapelten sich bei einem Händler Dutzende von 190ern, weil beispielsweise ein Autovermieter seine Flotte ausgewechselt habe, wird Mercedes' Kleinster auf andere Filialen verteilt.

So bleiben nur die Aussagen über die Preisentwicklung in Berlin selbst. In den letzten Monaten ist der Durchschnittswert eines in der Anzeigenzeitung Zweite Hand angebotenen Autos um knapp über 1.300 Mark gefallen. Das ist das Ergebnis eines Vergleichs einer Ausgabe vom August 92 und vom heutigen Samstag, den Norbert Spindler im Auftrag der Werbe- und Anzeigenservice GmbH erstellt. Spindler schwächt die Aussagekraft seiner Zahlen aber vorerst ab, weil beispielsweise grobe Fehler beim Eintippen der Annoncen noch nicht ausgeschlossen werden könnten.

Bei dem Vergleich zwischen den 6.700 Gebrauchtwagen im August und den am heutigen Samstag inserierten 4.445 Fahrzeugen sind dennoch deutliche Tendenzen erkennbar. An dieser neuen Art von Börse zählen – wenn wundert's im Winter – Cabriolets zu den stärksten Verlierern. Mercedes fällt um 814 Mark. Zu den Gewinnern gehören Opel Astra und Peugeot 205 mit einer Steigerung von jeweils über 1.500 Mark. Grundsätzlich bestätigt sich zwar, daß Autos mit einem Hubraum von über zwei Litern im Wert merklich verlieren und Kleine gewinnen, doch der Teufel steckt im Detail. Nicht jeder Kleinwagen steigt im Wert: Ford- Fiesta ist um 169 Mark gefallen. Realsozialistische Pappe und Blech bleiben dagegen weiterhin beliebt: Trabant steigt um 19 Mark und Wartburg um 212 Mark.

In den Genuß dieses Autobörsen-Index werden Zweite Hand- Leser erst ab den nächsten Wochen kommen. Dann soll für jedes Fabrikat der durchschnittliche Preis der vergangenen Jahre und das aktuelle Angebot der letzten sechs Wochen verglichen und veröffentlicht werden.

Der regionale Vergleich wird weiter fehlen – obwohl der nach wie vor immer lohnt. Im 300 Kilometer entfernten Hamburg ist beispielsweise ein Citroen BX mit identischem Baujahr und mit etwa der gleichen Kilometerleistung bis zu 2.000 Mark billiger als in Berlin, ergab eine Recherche der taz. In den alten Bundesländern wird dem französischen Viertürer offenbar wenig, in den neuen Ländern und der ehemaligen Hauptstadt der DDR viel zugetraut – die pneumatisch gefederte Limousine wurde von SED-Funktionären, Regierungsmitgliedern und Stasi-Leuten bevorzugt. Dirk Wildt

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