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Lust und Maß

Was darf man heute überhaupt noch essen, welchen Lebensmitteln noch über den Weg trauen? Der Ernährungswissenschaftler Roland Possin gibt Rat

Als Erstes sollte der Blick beim Einkauf auf die Zutatenliste fallen: Weniger ist mehr

Interview VOLKER ENGELS

Der Lübecker Ernährungswissenschaftler und Buchautor Roland Possin hat zahlreiche Bücher rund ums Thema Ernährung verfasst. Im März erscheint sein neustes Buch „Hüter der Schöpfung. Die Erde heilen mit der Weisheit der Naturvölker“ im Bastei Lübbe Verlag. Besonders Allergikern empfiehlt Possin, auf Bioprodukte zurückzugreifen, weil die auf gesundheitsschädliche Zusatzstoffe verzichten. Doch auch die gemeine Currywurst, in Maßen genossen, schadet nicht. Entscheidend ist für Possin der richtige Mittelweg zwischen Genuss und Gesundheitsbewusstsein.

taz: Herr Possin, gab es zum Jahreswechsel noch Fleisch auf Ihrem Tisch?

Roland Possin: Wir haben Fleisch und Wurst gegessen, natürlich neben Salat und Gemüse. Das Fleisch haben wir beim Biometzger eingekauft, weil dort die Qualität der Produkte wesentlich höher ist, weil die Wurstwaren weniger Zusatzstoffe beinhalten und die Tiere artgerecht gehalten werden.

Mit welchen Inhaltstoffen müssen Verbraucher rechnen, wenn sie Wurstwaren essen?

Die Palette ist breit: Pökelsalz wird als Konservierungsstoff eingesetzt. Das behindert den Sauerstofftransport im Blut. Ansonsten enthalten die meisten Lebensmittel Natriumglutamat, also Geschmacksverstärker, und Natriumphosphat, das die Oxidation in der Wurst hemmt. Natriumphosphat wird eingesetzt, damit die Wurst nicht ranzig wird. Mit der Folge, dass die Mineralstoffverwertung im menschlichen Körper gehemmt wird. Das sind die bekanntesten Zusatzstoffe in konventionellen Fleisch- und Wurstwaren.

Welche Folgen hat das für die Konsumenten?

In meine Praxis kommen immer mehr Menschen, die mit allergischen Reaktionen Probleme haben. Da muss man aber genau hingucken: Wenn der Hautausschlag direkt nach dem Verzehr der Lebensmittel auftritt, hat das nicht direkt etwas mit einer Allergie zu tun, sondern kann eine so genannte Pseudoallergie sein. Das heißt, dass der Körper konkret auf die synthetischen Zusatzstoffe reagiert. Etwa durch Hautausschlag.

Das passiert nicht, wenn man auf Bioprodukte zurückgreift?

Nein. In ökologischen Anbauverbänden wird zum größten Teil auf Zusatzstoffe verzichtet. Bioland zum Beispiel verzichtet als einer der größten Verbände konsequent auf Phosphat, Pökelsalz und Geschmacksverstärker. Bei denen darf nur Salz, Wasser, Gewürze, Kräuter, Honig oder Zucker verwendet werden.

So richtig schön und appetitlich sieht das Fleisch dann aber nicht mehr aus.

Das stimmt. Für den Verbraucher ist das dann von der Optik nicht mehr so ansprechend. Allerdings sind konventionelle Lebensmittel eben besonders für Menschen, die anfällig für Allergien sind, nicht empfehlenswert.

Zunehmend kommen probiotische Joghurts auf den Markt. Wie beurteilen Sie diese Produkte?

Diese Probiotika sind Lebensmittel, die Mikroorganismen enthalten, denen man gesundheitsfördernde Effekte nachsagt. Ein bekannter Bakterienstamm, der als LR 1 bekannt ist, soll angeblich die Darmflora verbessern und die Magenschleimhaut vor Entzündungen schützen. Die Studien, die diese Wirkungen belegen, wurden aber alle von den Produzenten dieser probiotischen Lebensmittel in Auftrag gegeben. Nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind diese Effekte aber noch nicht ausreichend geklärt. Ich empfehle, genau zu schauen, was in diesen Joghurts enthalten ist. Wenn da Zucker oder andere Zusatzstoffe enthalten sind, mögen die Bakterien noch so gesund sein: alleine die Zusätze schaden der Gesundheit.

Worauf sollten Konsumenten, die sich gesund ernähren wollen, besonders achten?

Als Erstes sollte der Blick beim Einkauf auf die Zutatenliste fallen. Je mehr Zusatzstoffe draufstehen, desto größer ist die Gefahr, dass körperliche Reaktionen auftreten können. Wie schon gesagt: Wer sich von naturbelassenen Lebensmitteln ernährt, steht auf der sicheren Seite. Ansonsten empfehle ich viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukte zu sich zu nehmen. Dabei sollte man aufpassen, dass man nicht zum „Ökochonder“ wird: Sie werden eingeladen zum Essen und lehnen mit den Worten ab: „Nein danke, zu gesundheitsschädlich.“ Da sollte man den Ball flach halten, weil Menschen, die nicht besonders empfindlich sind, ohne Probleme mal eine Currywurst essen können.

Wo liegt ihrer Meinung nach der goldene Mittelweg zwischen Hedonismus ud Askese?

Ich habe es in meinen Beratungen immer wieder mit zwei Typen von Ratsuchenden zu tun: Die einen leben total ausschweifend und ernähren sich vorwiegend von Fleisch und Wurst. Die müssten häufiger auf Gemüseaufläufe oder fleischlose Kost ausweichen. Der anderen Gruppe, die sich keinen Genuss gönnt, rate ich, auch einmal in ein Restaurant zu gehen und zu essen, was das Herz begehrt. Die Lust am Essen sollte man sich nicht verderben lassen!

Roland Possin hat gemeinsam mit Karin Possin das Buch Buch „Essen Sie sich gesund! Von Allergie bis Übergewicht“ verfasst: Hugendubel Verlag, 254 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 3-7205-2148-6. Im März erscheint „Hüter der Schöpfung. Die Erde heilen mit der Weisheit der Naturvölker“: Bastei Lübbe Verlag, 195 Seiten, 7,90 Euro, ISBN 3-404-701-90-9.

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