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Luftangriffe auf die Ukraine„Drohnen klingen wie Mopeds“

Jede Nacht überzieht Russland die Ukraine mit Raketen- und Drohnenangriffen, Zivilisten sterben. Die Betroffenen kennen sich damit inzwischen aus.

Feuerwehreinsatz in Saporischschja nach russischem Drohnenangriff Foto: Kateryna Klochko ap/dpa

Saporischschja taz | „Was meinen Sie, warum die Straßen gerade so leer sind?“, fragt Andrej Chodokowski seinen Gast auf dem Beifahrersitz und schiebt die Antwort gleich hinterher. „Diese Nacht hat niemand hier in der Stadt geschlafen. Ich auch nicht. Das ganze Programm. Zuerst kamen die Drohnen, dann waren es Marschflugkörper und Raketen.“

Klar, Drohnen von Marschflugkörpern zu unterscheiden, sei für ihn nicht mehr schwer. „Drohnen klingen wie Mopeds, die surren so. Marschflugkörper wieder klingen so wie Düsenflugzeuge. Und ballistische Raketen hört man gar nicht kommen. Erst wenn sie einschlagen, hört man sie.“ Und deswegen seien wohl die meisten Bewohner von Saporischschja erst am Morgen eingeschlafen, als es schon wieder hell wurde.

Russland hat die ganze Nacht zum Samstag die Ukraine erneut mit Marschflugkörpern und ballistischen Raketen sowie Schached-Drohnen angegriffen. Am stärksten betroffen waren die Städte Saporischschja und Dnipro. Aber auch die westukrainische Stadt Luzk wurde Opfer der Angriffe.

Die meisten Opfer zählt Saporischschja. 34 Bewohner der Stadt seien verletzt, einer getötet worden, zitieren die ukrainischen Medien Iwan Fedorow, den Leiter der Gebietsverwaltung. Unter den Opfern sind auch drei Kinder. Die Stadt sei unter anderem mit sieben Raketen angegriffen worden, so Fedorow. Fast 400 Luftangriffe hätten die russischen Streitkräfte innerhalb eines Tages auf Saporischschja verübt. Nach Angaben des Leiters der Verwaltung des Gebietes Dnipropetrowsk, Serhii Lisak, wurden die Stadt Dnipro und Orte in Frontnähe getroffen.

400 Luftangriffe auf Saporischschja an einem Tag

Und gleichzeitig wurden Orte im Gebiet Saporischschja von russischer Artillerie beschossen. Allein im Laufe eines Tages setzten sie 88 Mal Artillerie ein und beschossen gezielt mehrere Orte.

Am späten Samstagabend wurde schließlich die Region Odessa mit Drohnen angegriffen. Besonders betroffen war die Hafenstadt Tschornomorsk, die nach lokalen Berichten die schwersten Angriffe seit Kriegsbeginn erlebte. Dort fiel in einigen Stadtteilen der Strom aus. Fast 30.000 Bewohner seien betroffen, zitiert die New Voice den Leiter der Militärverwaltung des Gebietes Odessa, Oleg Kiper.

Bei einer Explosion im Hafenbereich von Tschornomorsk wurde ein ziviles Frachtschiff beschädigt. Nach Angaben des Nachrichtenportals Dumska handelt es sich um den Frachter „NS PRIDE“, der unter der Flagge von Belize fährt. Es könnte jedoch auch sein, dass das Schiff mit einem im Meer schwimmenden Sprengsatz in Berührung gekommen ist, zitiert die New Voice einen Marinesprecher.

Ölraffinerien in Russland sind Ziele der Ukraine

Unterdessen greift die Ukraine ihrerseits Ziele in Russland an. In mehreren russischen Regionen, darunter sogar im äußersten Fernen Osten wie die Stadt Wladiwostok und die Pazifikinsel Sachalin, kommt es derzeit zu massiven Engpässen bei der Versorgung mit Benzin. In vielen Orten wurde der Verkauf von Kraftstoff eingeschränkt oder ganz gestoppt.

Die russischen Behörden erklären diese Engpässe mit hoher Nachfrage, logistischen Problemen und saisonalen Faktoren. Doch die eigentliche Ursache dürften die zunehmenden ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Raffinerien sein.

Raffinerien in Nowoschachtinsk, Rjasan, Wolgograd und Sotschi wurden zuletzt angegriffen. In Nowoschachtinsk brannte eine Raffinerie fünf Tage lang nach einem ukrainischen Drohneneinschlag. Derzeit seien bis zu 16 Prozent der nationalen russischen Raffineriekapazitäten durch Schäden außer Betrieb, zitiert svoboda.org den Energiemarkt-Analysten Michail Krutichin.

Und der Gouverneur des russischen Grenzgebietes Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, berichtet von einem Dutzend verletzten Zivilisten durch ukrainische Drohnen innerhalb eines Tages.

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