Luftqualität in Europa: 412.000 Todesfälle durch Feinstaub
Mehr als 400.000 EU-Bürger fallen jährlich der Belastung durch Schadstoffe zum Opfer. Kaum jemand kann in Europas Städten reine Luft einatmen.
Beinahe alle in Städten lebende Europäer:innen seien einer Luftbelastung ausgesetzt, die über die empfohlenen Werte der Weltgesundheitsorganisation WHO hinausgehe, urteilte die EEA. Diese Verschmutzung führe zu Gesundheitsproblemen und einer geringeren Lebenserwartung, aber auch zu wirtschaftlichen Einbußen etwa durch wachsende Kosten im Gesundheitssektor und geringere Ernteerträge. Eine Verringerung der Luftverschmutzung würde dagegen vorzeitige Todesfälle reduzieren und die Produktivität steigern, befand die Agentur.
„Es ist an der Zeit, Veränderungen in den Bereichen Energie, Lebensmittel und Transport zu beschleunigen“, forderte EEA-Direktor Hans Bruyninckx. Hauptverursacher der Luftverschmutzung sind der EEA zufolge der dichte Autoverkehr, gefolgt von Anlagen, die in Gewerbe und Haushalt mit Öl, Gas, Kohle und Holz genutzt werden, Energieerzeugung, Industrie sowie Landwirtschaft und Abfall.
Seit 2011 veröffentlicht die EEA jährlich den Bericht „Air Quality in Europe“. Die erhobenen Daten basieren auf Messungen in 41 europäischen Ländern. Die meisten Daten stammen aus den Jahren 2016 und 2017. Der diesjährige Bericht erhält neben den Informationen zu Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon auch welche über Schwermetalle und ihre Risiken für Gesundheit und Umwelt.
Todesfälle auch wegen Stickstoffoxid und Ozon
„In Europa ist die Luft in vielerlei Hinsicht schlecht“, heißt es im Bericht. 412.000 Menschen sterben frühzeitig wegen Feinstaub, wegen Stickstoffoxid 71.000 Menschen und wegen bodennahem Ozon 15.100 Menschen. Da es eine Überlappung der Schadstoffe gebe, könne man die vorzeitigen Todesfälle nicht addieren.
„Luftverschmutzung ist momentan das größte Umweltrisiko für die menschliche Gesundheit“, schreibt die EEA. Die Luftverschmutzung betreffe die gesamte Bevölkerung, doch gäbe es bestimmte Gruppen, die besonders darunter leiden: Kinder, Ältere, Schwangere und chronisch Kranke.
Maßnahmen greifen
Zwar bleibt die Luftbelastung ein Problem. Doch bestätigen die Daten, dass verbindliche Maßnahmen greifen: Die Zahl der vorzeitigen Toten durch Feinstaubbelastung sei im Vergleich der Jahre 2015/2016 um 17.000 Fälle gesunken. Seit 1990 sei es eine halbe Million weniger. Doch seien die Fortschritte zu langsam, kritisiert die EEA. Vor allem in Ost- und Südeuropa tue man nicht genug, um Richtwerte einzuhalten.
Für Deutschland errechnete die EEA 591.400 Lebensjahre, die verloren gingen durch die Schadstoffe – so viel wie sonst nirgendwo in Europa. Auf die Einwohner:innen heruntergerechnet, liegt Deutschland leicht unter dem EU-Schnitt. Bei der Feinstaubbelastung liegt Deutschland laut EEA zwar im unteren Drittel, doch bei der Belastung durch Stickstoffdioxid liege Deutschland vorne. Verantwortlich hierfür sei vor allem der Verkehr.
DUH fordert Sofortmaßnahmen
Barbara Hoffmann, Umweltprofessorin in Düsseldorf, schlägt vor, Verkehr und Energieerzeugung emissionsarmer zu gestalten und in der Landwirtschaft Gülle-Ausbringung zu mindern. „Es gibt keine einzelne Maßnahme, die das Problem lösen kann“, betonte sie. So sei die Verbesserung der Emissionen einzelner Fahrzeuge zunichte gemacht durch den zunehmenden Verkehr.
Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), fordert Sofortmaßnahmen: „Die Bundesregierung ist leider auch beim schmutzigen Betrugsdiesel-Pkw Exportmeister“, sagt er. „Doch anstatt das Problem nach Süd- und Osteuropa zu schicken, muss Kanzlerin Merkel endlich alle Autokonzerne zwingen, sämtliche betroffenen Fahrzeuge kurzfristig zurückzurufen.“ Die DUH fordert auch Maßnahmen in der Landwirtschaft, wie bei der Tierhaltung und bei der Düngung auf Feldern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen