Luft-Boden-Übungsplätze: Nordhorn trauert um Bombodrom
Seit der Bombenabwurfplatz in der brandenburgischen Heide vom Tisch ist, sind die Politiker in Nordhorn sauer: Sie hatten auf eine Entlastung ihres "Luft-Boden-Schießplatzes" gehofft. Nun wird gefeilscht.
Der Mittwoch war kein guter Tag für die Stadt Nordhorn. Im fernen Berlin trat Verteidigungsminister Jung (CSU) vor die Presse und erklärte, er werde auf den geplanten Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock, auch "Bombodrom" genannt, verzichten. Das habe er "nach reiflicher Überlegung" entschieden.
"Ich kann es gar nicht glauben, das ist ein ganz derber Rückschlag", sagte tags darauf Nordhorns Bürgermeister Meinhard Hüsemann (SPD). Noch am Mittwoch hatte er Jung aufgefordert, "sich weiterhin für das ,Bombodrom' einzusetzen". Der Übungsplatz in Brandenburg, so seine Hoffnung, hätte den Bombenabwurfplatz in Nordhorn, auch "Nordhorn Range" genannt, entlasten können.
Es hatte schon länger schlecht ausgesehen für das Bombodrom. Der Widerstand gegen das Projekt war enorm, die Bundeswehr verlor einen Prozess nach dem anderen. Zuletzt hatte sich auch der Petitionsausschuss des Bundestages auf die Seite der Bombodrom-Gegner geschlagen, die vor allem den Lärm der Tiefflieger kritisierten, der sich negativ auf den Tourismus auswirke.
Der 2.200 Hektar große Schießplatz ist das zweitgrößte Übungsgelände der deutschen Luftwaffe
1913 erwarb Berta Krupp von Bohlen und Halbach das Gelände und errichtete das Gut Klausheide
1927 wurde dessen nordöstlicher Teil zum Flugplatz Klausheide, einem Notlandeplatz
Luft-Boden-Schießplatz ist das Gebiet seit 1933
1954 formierten sich erste Bürgerproteste
1971 besetzten Anwohner den Platz und gründeten die "Notgemeinschaft Nordhorn Range"
Für Nordhorn hat sich bis jetzt kein Petitionsausschuss eingesetzt, dabei, so Bürgermeister Hüsemann, müssten die Nordhorner "bereits seit 1945 mit dieser intensiven Lärmbelästigung leben". Im Zweiten Weltkrieg diente der Platz dem Bombenabwurf, 1947 übernahm ihn die Britische Luftwaffe, seit 2001 hat die Bundeswehr das Kommando. Deren Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhahn sagte bei der Pressekonferenz am Mittwoch, er trage die Entscheidung gegen das Bombodrom nur mit, wenn die übrigen zwei deutschen "Luft-Boden-Übungsplätze" erhalten blieben. Einer davon ist die Nordhorn Range.
Am Freitag hatte sich Nordhorns Bürgermeister Hüsemann soweit von seinem Schock erholt, dass er zu rechnen begann. Zwar habe Verteidigungsminister Jung zugesichert, die im Bombodrom geplanten Übungsflüge würden ins Ausland verlagert, eine Mehrbelastung für Nordhorn werde es nicht geben. Die Frage sei bloß, von welchen Zahlen das Verteidigungsministerium ausgehe: "Wir haben im Jahr 2008 nur 1.608 Flüge gehabt", so Hüsemann. Im Konzept der Nordhorn Range seien aber 4.000 vorgesehen. Es könne doch sein, dass die Luftwaffe ihre Flüge auf diese vorgesehenen 4.000 anhebe.
"Der Führungsstab muss erst noch darüber beraten", teilt das Luftwaffen-Oberkommando in Köln mit. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, die Sache werde vermutlich politisch entschieden, "bei dem Wirbel, der da entstanden ist". Generalinspekteur Schneiderhahn habe erklärt, die Übungsflüge in Nordhorn "im bisherigen Umfang und auf demselben Niveau" weiterzuführen, das sei doch eigentlich deutlich.
In Nordhorn hat sich die Strategie inzwischen umgekehrt. Lagen die Hoffnungen erst auf dem Bombodrom, für das, wie gestern bekannt wurde, sich auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in einem Brief an den Verteidigungsminister stark gemacht hat, so liegen sie jetzt - wieder auf dem Bombodrom. Wenn der Übungsplatz dort gekippt werde, müsse man auch die Nordhorn-Range schließen, fordert Bürgermeister Hüsemann. Das verlange das "Gebot der Gleichbehandlung". Zumindest müsse die Belastung der Nordhorn Range um die Flüge vermindert werden, die beim Bau des Bombodroms nach Brandenburg verlegt worden wären - Hüsemann bezifferte diese Zahl auf "die Hälfte der zuletzt 1.608 Flüge".
Mittlerweile hat der Bürgermeister zu einer Unterschriftenaktion gegen die Nordhorn Range aufgerufen, die die Notgemeinschaft Nordhorn Range arrangiert hatte. Seit 1971 kämpft die Bürgerinitiative gegen den Übungsplatz und ist damit eine der ältesten in Deutschland. Zuletzt war die Resonanz auf ihre Aktionen eher schwach. Hüsemann warnte die Nordhorner daher schon vorsorglich: "Es bringt nichts, mit hundert Leuten da zu stehen, es müssen schon tausende sein."
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