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■ Das PortraitLothar Klemm

Er ist der Gewinner schon vor dem 3. Spieltag 1994 im Hessenlotto: Lothar Klemm (44) aus Hanau soll nach dem festen Willen von Ministerpräsident Hans Eichel der neue Minister für Wirtschaft und Verkehr werden, weil der noch amtierende Minister für Wirtschaft und Verkehr, Ernst Welteke, den Platz der zurückgetretenen Finanzministerin Annette Fugmann-Heesing einnehmen soll. Revirement heißt die Umbesetztung in Regierungskreisen in der Sprache der StaatsrechtlerInnen.

Der Notar Klemm hat sich im permanenten Revirement innerhalb der SPD-Fraktion in nur sechs Jahren bis an die Spitze durchgeboxt – mit dem Gewerkschaftsflügel der Partei und den nachgerückten „68ern“ der Fraktion im Rücken. Der sich jung-dynamisch gebende Klemm zog 1982 mit einem Direktmandat in der Tasche in den hessischen Landtag ein. Vom Hinterbänkler aus der Atomgemeinde avancierte er 1988 zum stellvertretenden SPD- Fraktionsvorsitzenden in der Opposition. Als dann endlich feststand, daß der seit Jahren an Ministersessel gewöhnte Fraktionsvorsitzende Hans Krollmann – der mit in die Lottoaffäre verstrickt ist – unter der CDU/FDP-Regentschaft auf der harten Oppositionsbank eine Fehlbesetzung war, schlug Klemms Stunde. Der Frontmann der jüngeren SPD-Landtagsabgeordneten wurde nach den Landtagswahlen von 1991 zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.

Der Aufsteiger von Hessen Foto: taz-Archiv

Klemm gehört nicht zu den beliebtesten Roten bei den Grünen: Mit seinem persönlichen Einsatz brachte er das bereits vom Landtag beschlossene PVC-Verbot wieder zu Fall – mit Blick auf seine WählerInnen im Wahlkreis 40 (Hanau). Dort hat schließlich einer der größten PVC-Verarbeiter in Hessen seinen Firmensitz. Und zu Klemms Wahlkreis gehören auch die Hanauer Nuklearbetriebe. Mit seinen engen Kontakten zu den „Schlüsselfirmen“ und zu den dort agierenden Betriebsräten war Klemm offenbar erste Wahl bei der Neubesetzung der Position des Wirtschafts- und Verkehrsministers. Der grüne Koalitionspartner erwartete von Klemm den bedingungslosen Einsatz für den öffentlichen Personennahverkehr. Eine Forderung, der Klemm gern nachkommen wird, denn in Bonn wurden die konfliktträchtigen Autobahnprojekte gnadenlos zusammengestrichen. kpk

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