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Lokführer im TarifstreitNicht vergessen, die Solidarität

Der Streik der Lokführer ist unsolidarisch, sagt Verdi-Vorsitzender Frank Birske. Aber die GDL hatte wenig Alternativen zu ihrem Alleingang.

Erhalten viel Verständis von der Bevölkerung - streikende Lokführer. Bild: ap

BERLIN taz Das als mausetot angesehene Liedgut der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung erweist sich als zählebig, ja als aktuell verwendbar. 1931 dichteten und komponierten Bertolt Brecht und Hanns Eisler einen Song, dessen Refrain lautet: "Vorwärts und nicht vergessen / worin unsere Stärke besteht! / Beim Hungern und beim Essen / vorwärts, nicht vergessen / die Solidarität". Noch schwerer, als das Solidaritätslied zu singen, ist es, Solidarität zu praktizieren. Der Streik der Lokführergewerkschaft liefert dafür ein gutes Beispiel.

Geht es nach dem Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske, wäre der Streik der Lokführer unsolidarisch. Denn es könne nicht angehen, dass eine einzelne Berufsgruppe im Alleingang das Maximum herausholen wolle: "Wir stellen der Zersplitterung und der Aufkündigung der Solidarität aus gutem Grund das Gemeinsame entgegen." "Aus gutem Grund" heißt, die Einheitsgewerkschaft zu verteidigen, die schließlich die Lehre aus der Zersplitterung der Gewerkschaften vor 1933 gezogen und sich in der Bundesrepublik als Unterpfand der Stärke erwiesen habe.

Zu den Verteidigern der gewerkschaftlichen Einheit gesellt sich auch der Präsident der Unternehmervereinigung Gesamtmetall, Martin Kannegiesser. Der Betrieb sei eine "Leistungsgemeinschaft". Wo sich diese Gemeinschaft in widerstreitende Gruppen aufspalte, könne "mancher Betrieb nicht mehr führbar werden". Es gehe nicht ohne ein "Mindestmaß an Solidarität zueinander". "Zueinander" meint, dass die Ergebnisse der Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit von den Belegschaften solidarisch akzeptiert werden. Nur so könne Berechenbarkeit und damit Führung gewährleistet werden.

Folgt man Kannegiesser, so hätten sich die beiden Konkurrenten der GDL, die DGB-Gewerkschaft Transnet und die Beamtenvereinigung GDBA, wahrhaft solidarisch verhalten - und zwar gegenüber der Leistungsgemeinschaft Deutsche Bahn. Schließlich unterstützten beide Gewerkschaften auch die Privatisierung und damit die "internationale Konkurrenzfähigkeit" des Unternehmens.

Gerade diese Bereitschaft fordert die Kritik des Fahrgastverbandes Pro Bahn heraus, deren Vorstandsmitglied Hartmut Buyken erklärte: "Transnet und GDBA haben ihren Tarifvertrag in kumpelhafter Solidarität mit DB-Chef Mehdorn fast geräuschlos abgeschlossen. Für ihre Solidarität bei der Durchsetzung der DB-Kapitalprivatisierung mit Schienennetz zahlt ihnen Mehdorn 4,5 Prozent Lohnerhöhung."

Wer soll mit wem solidarisch sein? Einerseits wiegt das Argument der Zersplitterung schwer, denn einheitliche Forderungen, das zeigt die Geschichte gewerkschaftlicher Kämpfe, können die Interessen der Schwächeren besser berücksichtigen. Allerdings versagt das Einheitsargument dort, wo die etablierten Gewerkschaften sich die Logik der Unternehmensführung zu Eigen machen, wie bei der Deutschen Bahn geschehen. Unter solchen Bedingungen kann eine aus engem Gruppeninteresse gegründete Berufsgewerkschaft sich als Motor für gewerkschaftliche Kämpfe erweisen. Solidarität bemisst sich nicht nach abstrakten Organisationsprinzipien, sondern in konkreten Arbeitskämpfen. Viele "Leidtragende" des gegenwärtigen Arbeitskampfs der GDL sehen es auch so. Ihre Solidarität gilt den Lokführern.

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