Lohnuntergrenzen: SPD legt Gesetz für Mindestlohn vor
Die Sozialdemokraten wollen einen schnellen Beschluss des Kabinetts, die Union tritt auf die Bremse. Derweil drängen Zeitarbeitsfirmen darauf, ins Entsendegesetz aufgenommen zu werden.
Der Druck auf die Union, Mindestlöhne einzuführen, steigt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hat jetzt den Entwurf eines Gesetzes fertig gestellt, das Lohnuntergrenzen auch in Branchen ermöglichen soll, in denen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände kaum Einfluss haben. Das Gesetz solle "schnell" ins Bundeskabinett eingebracht werden, sagte Stefan Giffeler, der Sprecher des Ministeriums, gestern.
In der Union gibt es erhebliche Widerstände dagegen, in weiteren Bereichen der Wirtschaft Untergrenzen für die Bezahlung einzuführen. "Das müssen die Tarifpartner tun", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos während der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Glos widerstrebt es, wenn die Politik zu sehr in den Markt eingreift.
Die Union hat allerdings das Problem, dass die SPD nicht lockerlässt. Die Sozialdemokraten wollen Mindestlöhne in möglichst vielen Branchen durchsetzen - auch, um im Hinblick auf die kommenden Wahlen ihr Engagement für die soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren. Als die Auseinandersetzung um die Lohnuntergrenzen 2007 zwischen Union und SPD erstmals mit ganzer Schärfe aufbrach, einigten sich beide Seiten auf einen Kompromiss. Der beinhaltet auch das Mindestarbeitsbedingungsgesetz, dessen Entwurf seit gestern vorliegt.
Die Abkürzung "MIA" habe der ehemalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering geprägt, erzählt SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler. Münteferings erste Freundin habe diesen Namen getragen. Den Text mit dem freundlichen Namen konnte der Abgesandte von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, gestern bei einer kleinen Koalitionsrunde erstmals in Augenschein nehmen. Nach Stieglers Darstellung hat das neue Gesetz den Sinn, Mindestlöhne überall dort zu ermöglichen, wo Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände wenige Mitglieder haben und deshalb keinen wirkungsvollen Tarifvertrag zustande bringen. Ein Beispiel sind Schlachthöfe und andere Betriebe der fleischverarbeitenden Industrie, in denen Beschäftigte oft für wenige Euro arbeiten. Für solche Fälle soll es künftig gesetzlich verankerte Ausschüsse geben: Dort treffen sich die Tarifpartner mit Vertretern der Bundesregierung. Der zu bestimmende Mindestlohn soll sich dann an den Verhältnissen in der jeweiligen Branche orientieren und kann unter den 7,50 Euro pro Stunde liegen, die der Deutsche Gewerkschaftsbund als gesetzliche Untergrenze durchsetzen will.
Unterdessen hat der Bundesverband Zeitarbeit gestern die Absicht seiner Mitgliedsunternehmen erneuert, ins Entsendegesetz aufgenommen zu werden und auf diese Weise einen Mindestlohn zu erhalten. Das Entsendegesetz ist die zweite Mindestlohnvariante; sie gilt nur für solche Branchen, in denen ein existierender Tarifvertrag mindestens 50 Prozent der Beschäftigten erfasst. "Wir warten auf eine Reaktion der großen Koalition", sagte Adrian Hurst, Vizegeschäftsführer des Verbandes.
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