Lohnsenkung durch Billigflieger-Fusion: Ver.di hofft auf Vernunft
Wenn Germanwings und TUIfly auf dem Billigflugmarkt konkurrenzfähig sein wollen, müssten sie die Löhne drücken. Die Gewerkschaft befürchtet einen Imageschaden.
Die geplante Fusion der Lufthansa-Tochter Germanwings und des TUI-Ablegers TUIfly wird auf dem deutschen Markt keine ertragreiche Zukunft haben, meint der Luftverkehrsexperte Andreas Knorr von der Verwaltungshochschule Speyer. Knorr geht davon aus, dass das Projekt bei den Partnern vor allem dazu dienen soll, sich möglichst bald von den renditeschwachen Töchtern zu trennen, die im Grunde nur noch "Manövriermasse" seien. Dafür spreche auch, dass angeblich weder TUI noch Lufthansa in der geplanten Holding die Mehrheit haben wollten. Nach Ansicht von Knorr ist das ein "deutliches Signal an potenzielle Käufer".
FRANKFURT/M. taz Lufthansa und TUI AG wollen ihre Billigflieger Germanwings und TUIfly fusionieren. Aber bleiben bei dem Plan, einen starken Konkurrenten zu Air Berlin zu schaffen, die Beschäftigten auf der Strecke? Die Gewerkschaft Ver.di befürchtet das "noch" nicht.
Analysten hatten nach Bekanntgabe der Fusion gemutmaßt, in der neuen Fluggesellschaft sollten die Löhne der Beschäftigten denen der Billigbranche angepasst werden. Und die neue Eigentümerkonstellation würde einen Ausstieg aus dem Haustarifvertrag der Lufthansa ermöglichen.
Er setze auf die Vernunft der Bosse, sagte der für den Luftverkehr zuständige Ver.di-Tarifsekretär Ingo Kronsfoth der taz. TUIfly sei schließlich auch keine Billigfluggesellschaft, sondern die Ferienfluglinie des größten europäischen Reiseveranstalters. Auch die Beschäftigten dort seien mit ordentlichen Tarifverträgen ausgestattet. Deshalb gehe er nicht davon aus, dass sich die Arbeitgeberseite bei den Tarifverhandlungen für die neue Firma an den Löhnen orientiere, die bei den Billigfluglinien gezahlt würden. "Die wollen doch auch nicht gleich Ärger und eine schlechte Presse, sondern einen guten Start hinlegen", so Kronsfoth. Allerdings werde es wohl Synergieeffekte geben, die "mitgenommen" würden.
Tatsächlich kündete TUIfly schon in dieser Woche die Schließung des Bremer Standorts. Betroffen sind rund 100 Beschäftigte. Schuld daran sei aber nicht die angestrebte Fusion, sondern der Konkurrenzdruck durch Ryanair, hieß es bei der Mutter TUI in Hannover - und dass man die Angestellten anderswo im Konzern unterbringen werde.
Den deutschen Marktführern Lufthansa und Air Berlin sitzt mit der irischen Billigfluglinie Ryanair ein auf Expansion setzender und in Deutschland sehr aktiver ausländischer Carrier im Nacken. Ryanair nahm die Fusionsmeldung zum Anlass, die Einrichtung einer neuen Strecke von seiner deutschen Heimatbasis Hahn im Hunsrück aus direkt zum ungarischen Ferienziel Plattensee zu verkünden. Derzeit fliegt Ryanair von Deutschland aus 26 Länder in Europa an - und droht der Konkurrenz mit der Aufnahme von Überseeflügen. Erkennt die Europäische Union Hahn als Flughafensystem Frankfurt-Hahn an, werden dort weitere ausländische Airlines ihre Flotten stationieren: Russen und Polen sowie die Transportmaschinen von Air France sind schon da. Der Luftkampf über Deutschland wird sich also weiter internationalisieren.
Die Lufthansa sei gezwungen, sich stärker im Billigflugsektor zu engagieren, meint Martina Noß, Luftverkehrsexpertin der NordLB. Dem Trend zum billigeren Fliegen könne sich die größte deutsche Airline "nicht länger verschließen". Zurzeit prüft das Bundeskartellamt die Fusionpläne. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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