Lohndrücker: "Rocky" knockt Frauen aus

Die Stage Entertainment versucht, 30 Dresserinnen im Hamburger Operettenhaus loszuwerden, bevor das Musical "Rocky" anläuft.

Kein Grund zum Jubeln: Dresserinnen sollen Musical-Stars künftig für noch weniger Geld ausstaffieren. Bild: dpa

HAMBURG | taz Die drei Musical-Theater der Stage Entertainment zählen zu den Tourismus-Magneten Hamburgs. Vor wenigen Monaten hat Stage sehr zur Freude von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit dem Bau eines vierten Hauses im Hafen begonnen. Für Aufsehen sorgt der Konzern momentan auch wegen seiner 50-Millionen-Euro-Pläne zum Bau einer Seilbahn über die Elbe. Doch hinter den Kulissen gärt es. Nach Auslaufen des Musicals „Sister Act“ im Operettenhaus droht den rund 30 Dresserinnen die Kündigung.

Dresserinnen gehören zu den Stützpfeilern eines Musical-Ensembles hinter der Bühne mit den anderen Beschäftigten, die jeden Abend dafür sorgen, dass die Show gut läuft. „Wir helfen den Darstellern beim Umkleiden während der Show und kümmern uns um die Reinigung der Kostüme“, berichtet eine Dresserin. „Oft muss es schnell gehen – wenn mal eine Naht reißt oder ein Knopf abspringt.“

Stage Entertainment möchte nun Ende Oktober, wenn „Sister Act“ aus- und „Rocky“ anläuft die Dresserinnen in eine Leiharbeitsfirma outsourcen. „Rocky ist unser knock out“, sagt die Dresserin. Stephan Jaekel von Stage Entertainment sagt, dass so in spielfreien Zeiten zwischen zwei Produktionen 170.000 Euro eingespart werden könnten. „Da brauchen wir keine Näherinnen“, sagt Jaekel.

Es habe zwar ein Angebot zur Übernahme in die neue Firma gegeben, aber zu wesentlich schlechteren Bedingungen, berichtet die Dresserin. „Wir arbeiten schon jetzt im Operettenhaus in der untersten Lohngruppe“, sagt sie. „Bei uns sind alle teilzeitbeschäftigt, überwiegend Frauen. Viele sind seit 20 Jahren hier und haben Kinder und Familie“, sagt die Dresserin. „Wenn ich dann nur noch die Hälfte verdiene, muss ich eine Hartz-IV-Ergänzung beantragen.“

Das Musical-Unternehmen gehört in der Brache zu den führenden Unternehmen mit 4.000 Beschäftigten in zwölf Ländern.

Die neun Shows in Deutschland erwirtschafteten rund 50 Prozent des weltweiten Umsatzes von 600 Millionen Euro.

In Hamburg laufen derzeit die Musicals Tarzan in der Neuen Flora am Holstenbahnhof, Sister Act im Operettenhaus am Spielbudenplatz und König der Löwen im Zelt gegenüber den Landungsbrücken.

In Bau befindet sich ein viertes Theater mit 2.000 Plätzen neben dem König der Löwen-Areal.

„Die Arbeitsbedingungen sind in der Fremdfirma so schlecht, dass alle Beschäftigten den Wechsel abgelehnt haben“, sagt Agnes Schreieder von der Gewerkschaft Ver.di. „Bei der bisherigen harten Arbeitgeberhaltung“, sagt Schreieder, „müssen die Dresserinnen mit der Kündigung rechnen.“

Dem Betriebsrat ist so etwas angekündigt worden. „Wir sind über eine Massenentlassung von 29 Leuten informiert worden“, sagt Operettenhaus-Betriebsrat Michael Sommer. Ver.di setzt nun auf öffentlichen Druck. Am Mittwochvormittag soll demonstriert werden. Dann kommt nämlich Boxstar Wladimir Klitschko zu einem PR-Termin als Pate für die Rocky-Show ins Operettenhaus. 

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