Lockvogel in der Ibiza-Affäre: Dame mit Geschmäckle
Österreich sucht mit Fotos nach der „Oligarchennichte“ aus dem Ibiza-Video. Aber was ist überhaupt ein/e Oligarchen/in? Eine Wortkunde.
Die Fahndung nach der „Oligarchennichte“ aus dem Ibiza-Video erregt Österreich. Ihr Bild wird medial verbreitet. Der andere Beteiligte, der vormalige FPÖ-Politiker HC Strache, ist sich weiterhin keiner Schuld in der Korruptionsposse bewusst.
„Geld stinkt nicht!“, lautet eine alte Volksweisheit. Stifter ist der römische Kaiser Vespasian (er regierte von 69 bis 79 n. Chr.), der für einen gut gefüllten Staatssäckel noch auf die Benutzung von Bedürfnisanstalten Steuern erhob. Oft wesentlich anrüchiger als riesige Berge von Scheinen und hochpreisige Luxusimmobilien waren und sind hingegen deren BesitzerInnen. Weniger der etwas abgenutzte Begriff des meist unsympathischen Neureichen ist hier einschlägig als vielmehr der/des OLIGARCHEN/IN.
Etymologisch bezeichnet der Begriff aus dem Griechischen eine besondere, zahlenmäßig überschaubare Gruppe – jene, die durch Reichtum über ein Land oder eine Region weitgehende Macht ausüben, und zwar zum alleinig eigenen Vorteil. Heutzutage wird diese Bezeichnung vor allem für extrareiche Menschen in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gebraucht.
Dabei schwingt immer mit, dass sie nicht anders als durch unlautere Machenschaften zu ihren sagenhaften Besitztümern gekommen sein können. Ganz abwegig ist diese Insinuation nicht. Denn spätestens der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums 1991, der mitunter mit chaotischen Zuständen einherging, bot für die undurchsichtige Akkumulation von Kapital nach erfolgreicher Privatisierung von Staatsbesitz ein lohnendes Betätigungsfeld.
Man denke dabei an die russischen Millionäre Michail Chodorkowski oder Boris Beresowski. Ersterer machte vor allem mit seinem Ölkonzern Jukos ein riesiges Vermögen, Letzterer mit Autos und Medien. Doch mit dem vielen Geld ist das manchmal so eine Sache – weswegen sich die lateinamerikanische Seifenopfer „Auch Reiche können weinen“ im Russland der 90er Jahre beim Publikum großer Beliebtheit erfreute.
Michail Chodorkowski griff nach der Macht, kam aber den Mächtigen (Präsident Wladimir Putin) in die Quere und ging für zehn Jahre in den Knast. Boris Beresowski entging dem Gefängnis durch Flucht ins Londoner Exil, starb dort aber 2013 unter ungeklärten Umständen. Für die Dame aus dem inkriminierten Strache-Ibiza-Video – für das Geschmäckle reicht hier schon der Nichten-Status – könnte es jetzt juristisch eng werden. Da wäre es gut, wenn es wenigstens einen guten Onkel gäbe – mit dem notwendigen Kleingeld, versteht sich.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?