: Lockruf der Weser
■ Baden im Weserwasser ist erlaubt, aber Kinder sollten keinen Schlamm essen
Das Ufer der Weser, wo das Café Sand zum Bleiben lädt, gilt nicht nur als Hort trefflicher Kurzweil, nein, dort wird regelmäßig auch trefflich gestritten: „Guck dir den an, der läßt seine Kinder im Brackwasser baden. Rücksichtslos, ohne jede Vernunft. Typisch Mann.“ Woraufhin der so Bezeichnete zurückgiftet: „Blöde Zicke, du hast doch keine Ahnung.“
Diese Szene ist kein Einzelfall. Regelmäßige BesucherInnen der Lokalität berichten von alltäglichen Auseinandersetzungen um die Badetauglichkeit des Weserwassers. Die Luft überm Gestade ist stets streitgeschwängert. Würden Sie Ihr Kind in der Weser zu Wasser lassen? Mit dieser Frage konfrontierten wir daher KinderärztInnen, Behörde und den BUND für Natur- und Umweltschutz.
„Nur mit Vorbehalt“, antwortet Kinderarzt Dr. Thies. Er befürchtet „zu viele Belastungsstoffe“ in der Weser, „Säuren, und was es da sonst noch so gibt“. Die könnten gerade bei Kindern zu Hautproblemen führen. Allerdings ist in seiner Praxis noch kein Kind aufgetaucht, das nach einem Bad in der Weser unter juckenden Ausschlag litt. Daher würde er „nicht total vom Weserbad ab-, aber zur Zurückhaltung raten“.
Auch Kollege Peter Springmann ist skeptisch. Er wähnt weniger Gefahren von der bakteriologischen, als vielmehr von der chemischen Seite: die Einleitungen bestimmter Betriebe und die Rückstände landwirtschaftlicher Düngemittel wie Nitrate und Pestizide. Ob das zuständige Hauptgesundheitsamt, das dem Weserbad die Schleusen öffnete, all dies untersucht, weiß er nicht. Er weiß nur, daß in seiner Praxis zunehmend Kinder mit Hautproblemen auftauchen, „keine gefährlichen Krankheiten, aber äußere Reizungen“. Dabei wurde dem Arzt nicht das Bad in der Weser als mögliche Ursache genannt, aber immer wieder das im Uni- und Werdersee.
Diese Aussage deckt sich mit den Erfahrungen der Kinderärztin Michaela Künkel: Im Werdersee würde sie ihr Kind nicht zu Wasser lassen. Das stehende Gewässer erhöhe nun mal die Keimbelastung, die durch, vornehm ausgedrückt, menschlichen Eintrag ensteht. Auch Unisee und Wallersee sind ihr negativ aufgefallen, dort zählt sie vermehrt infizierte Mückenstiche und entzündete Gehörgänge. Möglicherweise, rätselt die Ärztin, ist nicht mal das Wasser schlecht. Das Böse könne dort vielleicht am überfüllten Ufer lauern. Gegen die Weser hat sie dagegen überhaupt keine Bedenken, da diese nun mal ein fließendes Gewässer ist.
Auch Michael Abendroth vom BUND für Natur- und Umweltschutz würde sein Kind sorglos den naturnahen Flußfluten überlassen. Es dürfe dort „baden, aber nicht Schlamm essen.“ Solange man es schaffe, dieses bei einem Kleinkind sauber zu trennen, sieht der Naturschützer keine Gefahr.
Damit teilt er die Position des Hauptgesundheitsamtes: „Die Badequalität ist gut“, sagt Mitarbeiterin Dr. Ute Zolondek. Das Wasser werde regelmäßig auf Krankheitserreger und Chemikalien nach EU-Richtlinien untersucht, die Grenzwerte wurden nicht überschritten. Pestizide, ergänzt sie, sacken normalerweise ins Grundwasser und werden nicht ins Oberflächenwasser abgeschwemmt. Die Zahl der Einleitungen etwa durch Fabriken habe nachgelassen und führe nicht zu gesundheitsgefährdenden Verunreinigungen.
„Die Weser hat nun mal keine Trinkwasserqualität“, ergänzt sie trocken, und wenn mal ein Schluck in den Mund schwappe, sei das nicht weiter schlimm. Schließlich beschwere sich auch niemand darüber, daß man sein duftwasserversetztes Vollbad zu Hause nicht trinken darf. Frau Zolondek würde daher bedenkenlos ihr Kind an der Biegung des Flusses baden. Allerdings nur unter Aufsicht – wegen der Strömung! dah
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