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Livemusik in CoronazeitenWarten auf die Coronas

Was Konzerte betrifft, muss man derzeit nehmen, was legal möglich ist – z.B. auf der Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin.

20 Sunsets im HKW Foto: Foto: Sebastian Bolesch/HKW

D a gibt es dieses ziemlich gut in der Popgeschichte versteckte Liedchen, launig, fast wie in einem Werbejingle heißt es da: „Just one breath, and it’s instant death“.

Erschreckend aktuell also, das Liedchen.

Herausgekommen ist es vor mehr als 50 Jahren, 1969, als man von Schwebepartikeln in der Luft schon manches und von Corona noch nichts wusste. „The Aerosol Grey Machine“ heißt es. Es findet sich auf dem gleichnamigen Debütalbum der britischen Experimentalrocker Van der Graaf Generator.

Wer derzeit mal wieder auf ein Konzert möchte, hat es nicht so einfach. Schließlich kann er nicht einfach in irgendeinen Berliner Park, wo für die tänzerische Notdurft gerade doch hinter jedem Busch ein DJ lauern soll für einen kleinen illegalen Rave. Dass da hinter dem Busch aber jemand seine Gitarre in den Verstärker stöpselt und daneben schon ein Schlagzeug aufgebaut steht, braucht man nicht zu erwarten.

Klangforschender Zungenschlag

Da muss man nehmen, was an Konzerten momentan legal möglich ist. Und die Konzerte auf der Dachterrasse im Haus der Kulturen der Welt nimmt man gern. Musikalisch querbeet geht es dort bei der „20 Sunsets“-Reihe, am Samstag war ein klangforschender Zungenschlag dabei.

Dann wird Peter Hammill, der existenzialistische Dunkelmann der Szene, 72 sein

Experimente also, hier in der Nähe des Bundeskanzleramts, in der sich an dem Samstag halt noch versprengte Reste der Hygieneskeptikerdemo herumtrieben. Deren Redner und am Anfang auch ein Hubschrauber im Beobachtungsstatus mischten sich so ungebeten als weitere Klangspur zu der sommerlich mild gestimmten und sanft knirschenden Ambientmusik von Andreas Bonkowski alias Window Magic zuerst.

Später stellte Hanna Hartman ihre seltsam brummelnden und schmatzenden Klänge in den lauen Abend, und wirklich spektakulär war der Auftritt von Els Vandeweyer, die in ihrem experimentell erweiterten Vibrafonspiel mit Reflektionen über Jazz und Loungemusik auf der HKW-Dachterrasse auch Leute packte und bei Laune hielt, die sich so eine Musik sonst eher nicht antun würden.

Das Konzert an dem Samstag war eine Zusammenarbeit vom HKW mit dem Ausland. Da hörte man deswegen Sachen, die sonst in diesem Kellerclub in der Lychener Straße zu hören sind. Zu hören waren. Und wann das dort wieder möglich sein wird, man weiß es nicht.

Dabei kann man gar nicht sagen, dass im Hinblick auf Konzerte im Ankündigungssektor derzeit nichts los sei. Ganz im Gegenteil: ständig kommen da gerade in den entsprechenden Mailverteilern Hinweise, was da so alles stattfinden wird.

Verlegungswelle auf dem Konzertmarkt

Um zum Beispiel auf die Band vom Anfang dieses Textes zurückzukommen, Van der Graaf Generator. Hätte im Rahmen ihrer „50 years of being different“-Tour eigentlich am 18. April in Berlin spielen sollen. Das Konzert wurde aus den coronapandemischen Gründen zuerst auf den 15. September verlegt. Und gerade eben hat man mitgeteilt, dass das nun weiter auf den 26. September geschoben wird. Und zwar den im nächsten Jahr. Kann man sich ja mal vormerken.

Dann wird Van-der-Graaf-Vorstand Peter Hammill, der existenzialistische Dunkelmann der Szene, 72 sein.

Just one breath, and it ’s in­stant death!

So sieht das also gerade auf dem Konzertmarkt aus. Da klappt es sogar mit dem Treppenwitz: Auch The Coronas nämlich, ein Indierockdreier aus Dublin, sind betroffen von der Verlegungswelle. Statt wie vorgesehen am 20. September sollen sie nun am 5. Mai 2021 im Frannz ihren Hang zum ordentlichen Schmuserock-Pathos ausleben dürfen.

Bis dahin sind die Coronas halt erst mal von Corona ausgebremst.

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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