■ Littleton und die Folgen: Suche nach Motiven
Als Eric Harris am Dienstag vor zwei Wochen einem Freund riet, er solle lieber nicht in die Schule gehen, hatte der Gewarnte ein merkwürdiges Gefühl. Kurz darauf zündete der 18jährige Abiturient Eric Harris auf dem Lehrerparkplatz eine Bombe und stürmte mit seinem Freund Dylan Klebold die Columbine High School in Littleton (Colorado). Klebold und Harris richteten ein Massaker an, das alle bisherigen Schul-„Shootings“ in den Schatten stellte.
Die jungen Männer suchten offenbar gezielt jene Mitschüler für den Tod aus, von denen sie dachten, daß sie für irgendein Hobby so etwas wie Freude oder Liebe empfanden. Ihre Schulkameradin Cassie Bernall fragten sie, ob sie an Gott glaube. Als die 17jährige bejahte, wurde sie erschossen. Zwei Musterschüler bezahlten ihr Faible für Mathematik mit Kopfschüssen. Den Sportlern der Schule schossen die beiden Attentäter in die Beine, einem Mädchen aus dem Schulorchester in die Brust. Auch Edward Sanders ließen die Killer nicht am Leben – den beliebtesten Lehrer der Schule.
Am Ende starben 12 Schüler, ein Lehrer und die Täter selbst, die vier Stunden nach Beginn des Massakers Selbstmord verübten. Die Tat der als stille Außenseiter beschriebenen Jungen hat die USA stärker erschüttert als das Bombenattentat von Oklahoma vor fünf Jahren, bei dem 164 Menschen starben. Damals richteten verwirrte Erwachsene unter vermeintlich anonymen Bundesbeamten ein Blutbad an. Diesmal waren es zwei blutjunge Männer, die Schüler erschossen, mit denen sie täglich zu tun hatten. Klebold und Harris bereiteten das Attentat genau vor. Erste Hinweise auf das Vorgehen im Tagebuch von Eric Harris sind ein Jahr alt. Er wolle 500 Schüler umbringen, notierte er, ein Flugzeug kapern und über New York abstürzen lassen. In der Schule fanden sich 50 kleinere Sprengsätze und eine 25-Kilo-Bombe, die nicht zündete.
Zwei Wochen diskutierte das Land eine verwirrende Vielfalt von Ursachen für die Tat: Neonazistische Versuchungen wurden ebenso in Betracht gezogen wie der Einfluß gewaltverherrlichender Filme oder der bevorzugten Musik der Mörder (Rammstein, Marilyn Manson); die amerikanische Waffenvernarrtheit steht unter Verdacht und natürlich das Internet, das die Bastelanleitung für die Bomben in das Haus der Attentäter lieferte. Je weniger schlüssig aber ein einzelnes Motiv identifiziert werden kann, desto mehr rücken die Sicherheitslage an den Schulen und die US-amerikanische Erziehungskultur in den Mittelpunkt. cif
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