Lithiumgewinnung in Argentinien: Hoffnung für Salzsee kommt und geht
Indigene wehren sich gegen Megaprojekte zum Abbau von Lithium. Vor Gericht dreht sich der Streit im Kreis. Zugleich werden Kritiker bedroht.
Lithium ist ein wichtiger Bestandteil in leistungsfähigen Batterien, die für den Bau von Elektrofahrzeugen und für Fotovoltaik – also die Decarbonisierung der Wirtschaft -, aber auch etwa für Mobilgeräte gebraucht werden. Hauptproblem beim Abbau des Alkalimetalls ist, dass dafür große Mengen Wasser gebraucht werden.
Im Mittelpunkt des Urteils stehen sieben Förderprojekte. Darunter das Fénix-Projekt des Unternehmens Minera del Altiplano – Livent. Der US-amerikanische Lithiumkonzern hat einen Liefervertrag mit einem Volumen von mehreren hundert Millionen Euro mit dem deutschen Autobauer BMW. Seit der Fusion von Livent mit dem australischen Bergbauunternehmen Allkem Ende 2023 firmiert der Bergbaukonzern unter den Namen Arcadium Lithium.
Das Projekt ist schon lange umstritten. „Ich habe den Kampf begonnen, als ich sah, wie das Ufergebiet des Río Trapiche austrocknete und niemand etwas unternahm“, sagt der indigene Anführer Román Guitian als Vertreter der Gemeinschaft Atacameños del Altiplano. Er hat bereits eine Reihe von Klagen und Beschwerden eingereicht, weil die Wasserreservoirs der Gemeinschaft infolge des Lithiumabbaus nach und nach erschöpfen. Bisher waren diese alle zunächst abgewiesen worden. Es begann ein langer Weg durch die Instanzen.
Prüfung der Umweltverträglichkeit
Zuletzt hatte Román Guitian schließlich 2021 beim Obersten Gerichtshof der Provinz abermals Berufung eingelegt und einen Antrag auf einstweilige Verfügung für den sofortigen Abbaustopp gestellt. Mitte März gab der Oberste Gerichtshof Guitians diesem Antrag statt. „Die Umweltschäden am Fluss Trapiche wurden bestätigt“, heißt es in der Entscheidung. Die obersten Richter fordern eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung, an der die zuständigen Provinz- und Staatsbehörden sowie die indigene Bevölkerung beteiligt werden müssen.
Die Lithiumvorkommen im Salar del Hombre Muerto gelten als die größten Reserven, die weltweit in einem Salzsee zu finden sind. Er erstreckt sich auf knapp 600 Quadratkilometern über die nordwestargentinischen Provinzen Catamarca und Salta und liegt zwischen 3.400 und 4.600 Meter über dem Meeresspiegel in einem Gebiet mit extremer Trockenheit. Salzseen sind Feuchtgebiete und somit wichtige Wasserreservoirs. Für die Gewinnung des Lithiums wird die unter der Oberfläche lagernde Sole in flache Becken gepumpt. Durch die Sonneneinstrahlung verdunstet das Wasser. Dagegen werden bei dem häufig angewandten Direktlithiumextraktion-Verfahren jedoch riesigen Menge an Süßwasser verbraucht.
Mordaufrufe zirkulieren
Der Río Trapiche ist nahezu ausgetrocknet, auch wenn es inzwischen Anzeichen für eine Erholung gibt. Dem Río Los Patos droht ein ähnliches Schicksal, nachdem Livent, inzwischen Arcadium Lithium, Pläne zur Umleitung von Wasser aus dem Fluss angekündigt hat. „Sie planen, 380.000 Liter pro Stunde durch ein Aquädukt zu pumpen. Es gibt bereits Gebiete, in denen es kein Wasser mehr gibt“, erklärt der Kazike.
„Unser Leben ist jetzt viel komplizierter. Früher konnten wir Schafe, Lamas und Ziegen weiden lassen. Jetzt müssen wir die Einschränkungen durch die Bergbauprojekte hinnehmen. Und wir können uns nachts nicht mehr frei bewegen, weil wir verfolgt werden“, sagt Román Guitian. Der Kazike ist persönlich betroffen: Nach dem Urteil des Obersten Gerichts erstattete er Strafanzeige, weil er sich bedroht fühlte: „Man muss planen, Román zu töten… man muss sich bereit machen“, heißt es in einem der zirkulierenden WhatsApp-Audio.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Filmförderungsgesetz beschlossen
Der Film ist gesichert, die Vielfalt nicht