Literarische Alster-Kurzreisen: Dichter:innen unter Dampf
Ortsspezifischer geht kaum: Hamburgs Literaturhaus lässt an Bord des letzten Alsterdampfers lesen. Auf dem Wasser wird es derweil immer enger.
Die Alster ist, nein, kein bierhaltiges Erfrischungsgetränk; das Alsterwasser aber, bestehend aus Pils und Zitronenlimonade in nicht ganz eindeutig festgelegtem Verhältnis, soll seinen Namen der Farbe des Flusses verdanken, denn so einer ist sie ja: Entspringt im nördlichen Hamburger Umland und mündet etwas über 50 Kilometer weiter südlich in die Elbe. Ihr bekanntester Abschnitt ist schon ziemlich weit unten: wo sie, weil der Mensch sie aufstaut, ganz breit wird: zum See, oder genauer gleich zweien davon.
Von sich Reden gemacht hat zuletzt die Außenalster, also die rund 160 Hektar große, nördlichere Wasserfläche. Dort ist es seit einigen Jahren im Sommer immer voller geworden. Und dass die Coronapandemie zeitweise das Reisen nahezu unmöglich gemacht hat, hat das wenn nicht verursacht, so doch noch verschärft, „der Nutzungsdruck auf die Alster hat zugenommen“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur jetzt den Sprecher der Hamburger Umweltbehörde.
Etwas markiger äußerte sich Anfang Juli der Rudertrainer Christian Dahlke: Tote könnte es geben, wenn neben den Ausflugsdampfern und den teils hoch ambitionierten Ruder- sowie -Segelsportlern:innen nun auch noch SUPs, Schlauchboote und sogar Schwimmer:innen um dieselben Hektar Wasser konkurrierten. Im Mai bereits hatten sich Vertreter:innen von Behörden und Wasserschutzpolizei, Umweltverbänden, Ruder- und Segelvereinen, SUP-Brett-Verleiher:innen und der Alsterschifffahrt zusammengesetzt, und verabredet sind sie für den Frühherbst wieder, heißt es.
Alsterdampfer – und bis in die 1930er-Jahre waren es wirklich welche, also: unter Dampf – befahren den See und die umliegenden Kanäle seit Mitte des 19. Jahrhunderts, und wären diese Schiffe heute immer noch ein relevantes Verkehrsmittel, dann wäre vermutlich auch eindeutiger, wer auf der Alster welche Privilegien genösse. Seit den 1960er-Jahren allerdings fahren zunehmend Tourist:innen mit, Arbeiter:innen und Angestellte kommen auf andere Weise an die Werkbank oder ins Kontor. Dass der Fremdenverkehr wiederum für wichtigst erachtet wird, das ist in Hamburg noch eine recht junge Entwicklung.
Wo Dampf war, ist Diesel geworden, der einzige echte Alsterdampfer ist heute die „St. Georg“, von einem Verein betrieben. Und auf dieser nun veranstaltet am Dienstag und Mittwoch das selbst so gut wie am Alsterufer stehende Literaturhaus Lesungen und Gespräche, immer im Autor:innen-Doppelpack; „Kurzreisen“ nennen die Verantwortlichen die schöne Form, ungefähr die Hälfte ist – Stand: Freitag, später Nachmittag – schon ausverkauft. Aber „ortsspezifischer“, wie man heute so sagt, als an Bord so eines schnaufenden, tutenden Kahns: Das geht in Hamburg ja kaum.
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