Linksparteichef Klaus Lederer:: "Das politische Bezirksamt ist fragwürdig"
Nachdem sich die SPD gegen eine Neuordnung der Bezirksregierungen ausgesprochen hat, zeigt sich nun auch die Linke skeptisch. Parteichef Lederer sagt, ihm sei die Leistungsfähigkeit der Bezirke wichtiger.
KLAUS LEDERER, 34, ist seit 2005 Landesvorsitzender der Linkspartei.
Bisher gilt in den Bezirksverwaltungen das Proporzprinzip: Die Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung dürfen je nach Größe Stadträte stellen.
Eine feste Koalition gibt es nicht, die Mehrheiten wechseln. In der Landesverfassung ist geregelt, dass dieses System nur bis zum
1. Januar 2010 gilt.
Was danach kommt, ist unklar. Eine Alternative wäre die Einführung des politischen Bezirksamts. Parteien könnten Koalitionen bilden und mit ihrer Mehrheit alle Stadtratsposten besetzen. Die SPD hat sich am Wochenende gegen dieses Modell entschieden. Auch die CDU lehnt es ab. Grüne und FDP sind dafür. ALL
taz: Herr Lederer, die SPD hat sich am Wochenende gegen das politische Bezirksamt entschieden. Sie will nicht, dass Parteien mit Mehrheit in Zukunft die gesamte Bezirksspitze stellen. Die Linke hat sich bisher für das Modell ausgesprochen. Droht nun der nächste rot-rote Krach?
Klaus Lederer: Es stimmt, wir haben vor einigen Jahren beschlossen, dass wir für das politische Bezirksamt eintreten. Aber das Thema wird auch bei uns durchaus kontrovers diskutiert. Es gibt in der Linkspartei viele, die das aktuelle Proporzmodell bevorzugen, bei dem auch die größeren Oppositionsparteien einen Stadtratsposten erhalten. Wir wollen uns auf einem Parteitag im Oktober mit Fragen der Bezirkspolitik insgesamt befassen. Da wird auch das politische Bezirksamt eine Rolle spielen.
Das hört sich an, als wollten Sie auf die SPD zugehen. Rudern Sie etwa jetzt schon zurück?
Das hat mit Zurückrudern nichts zu tun. Wir haben schon früher gesagt, dass das politische Bezirksamt nur sinnvoll ist, wenn die Bezirke mehr Spielräume für Entscheidungen erhalten. Welche Kompetenzen haben die Bezirke? Und wie werden sie finanziert? Wir glauben, dass diese Fragen zentraler sind als das politische Bezirksamt. Wir reden schon länger mit der SPD über die Finanzausstattung der Bezirke. Da haben wir derzeit Meinungsverschiedenheiten, deren Lösung uns wichtiger ist.
Zum Beispiel?
Nehmen Sie den Kinderschutz. Wie lange dauert es, bis die Stellen von Mitarbeitern in den Jugendämtern besetzt sind? Funktionieren die Ämter? Das ist, was die Menschen zu spüren bekommen. Der Schwerpunkt liegt für uns eher auf der bezirklichen Leistungsfähigkeit als auf der Frage, wer am Ende welches Stadtratsressort innehat.
Jetzt spielen Sie das aber herunter. Die neue Verteilung der Stadträte wäre ein großer Eingriff in die Bezirkspolitik.
Sicher. Wir haben es seinerzeit auch für sinnvoll gehalten, die Bezirksregierungen stärker zu politisieren. Die Bürger wüssten dann eher, welche Parteien für die Politik im Bezirk verantwortlich sind. Wenn aber die Bezirke im Wesentlichen nichts anderes tun, als Gesetze des Landes und des Bundes umzusetzen, dann wird das politische Bezirksamt fragwürdig.
Angenommen, Ihre Partei spräche sich trotzdem für dieses Modell aus: Wie wollten Sie das gegen die SPD durchsetzen?
Es ist umgekehrt: Die SPD braucht uns, um die derzeitige Gesetzeslage rückgängig zu machen. Wenn wir uns nicht einigen und nichts unternehmen, wird automatisch das politische Bezirksamt eingeführt.
In der Landesverfassung steht, dass das Proporz-Bezirksamt 2010 ausläuft. Was danach geschieht, ist völlig offen.
Genau. Deshalb müssten die Parteien dann in jeder Bezirksverordnetenversammlung vor Entscheidungen ihre Mehrheiten organisieren - was nichts anderes ist als die Koalitionsbildung im politischen Bezirksamt.
Sie meinen, die Linke sitzt am längeren Hebel. Werden Sie das nutzen, um zum Beispiel mehr Stellen beim Kinderschutz rauszuschlagen?
Zunächst wollen wir bis Oktober in unserer Partei die wichtigen bezirkspolitischen Probleme und unsere Lösungen dafür diskutieren. Erst danach ist es sinnvoll, sich mit der SPD zu einigen.
INTERVIEW: ANTJE LANG-LENDORFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!