Linkspartei: Linker Haken gegen Lafontaine
In der Linken regt sich Kritik an ihrem Bundesvorsitzenden. Landeschef Lederer fordert statt "Phrasen" tragfähige Parteipositionen zu Auslandseinsätzen und Steuerpolitik
Es ist erstaunlich still geworden in Berlins Linker nach dem Zeitungsinterview ihres Vorsitzenden Klaus Lederer. Gewöhnlich gut erreichbare Spitzengenossen waren am Sonntag nicht zu sprechen. Vermutlich klangen ihnen noch Lederers Worte in den Ohren. Der hatte am Freitag seinen Bundesvorsitzenden und Ko-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion offen kritisiert.
Zwar verteidigte er Oskar Lafontaine gegen Vorwürfe des Populismus: "Aber manche Zuspitzung Lafontaines geht auch mir zu weit." Lederer forderte, die Linke dürfe bei den Themen Auslandseinsätze, Steuerpolitik und Umverteilung von Arbeit und Einkommen "nicht bei Phrasen stehen bleiben". Diese Spitzen zielten kaum verhüllt auf Lafontaine.
Über die umstrittenen Äußerungen von Lafontaines Frau, der familienpolitischen Sprecherin der saarländischen Linken Christa Müller, urteilte Lederer lediglich: "Das sind Findungsprozesse." Müller hatte den geplanten Ausbau der Versorgung mit Krippenplätzen als einen "Zwang zur Fremdbetreuung" gegeißelt und dafür harsche Kritik aus der eigenen Partei geerntet.
Seit langem schwelt zwischen Berlins Linker und Lafontaine ein Konflikt. Der Ex-Finanzminister kritisierte die Hauptstadtgenossen für deren Beteiligung am Verkauf der Landesbank Berlin, zu der auch die Sparkasse gehört. Im Gegensatz zu Wirtschaftssenator Harald Wolf und zum Koalitionspartner SPD hielt Lafontaine die Privatisierung nicht für unumgänglich. Wolf verwies auf rigide Verkaufsvorgaben der EU-Kommission.
Hinter Konflikten wie diesem stecken grundsätzliche Differenzen der Parteifreunde über Selbstverständnis und Kurs der Linken. Der heute von Lederer geleitete Landesverband gilt spätestens seit Beginn der ersten rot-roten Koalition Anfang 2002 als pragmatisch. Ihm entstammen Meinungsführer des im Februar 2007 neu gegründeten Forums Demokratischer Sozialismus (fds), unter anderem der ehemalige Landes- und Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich. Das Forum versteht sich als Sprachrohr vor allem ostdeutscher Genossen, welche die Partei als pragmatische Problemlöserin auch im Westen etablieren wollen. Daher rumort es seit Monaten im Landesverband. Starke Kräfte wollen sich nicht länger von Lafontaine als den Sozialstaat kappende Knechte der SPD geschmäht wissen.
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