Linkspartei will Willy-Brandt-Hilfskorps: „Ab heute gehört der uns!“
Die Linke will die Armee verkleinern – zugunsten eines „Willy-Brandt-Korps“. Nun wird gestritten, wem der ehemalige SPD-Kanzler „gehört“.
Dabei geht es in der Debatte um Krieg und Frieden, um Menschenleben und die große Frage, wem der Altkanzler im Jahr 2016 gehört: der SPD oder der Linkspartei.
Im Antrag fordern die Linken ein „Willy-Brandt-Korps für solidarische humanitäre Hilfe“ – eine Truppe also, die bei Erdbeben, Dürren oder Seuchen in aller Welt zu Hilfe eilt. Die Bundeswehr soll Geld und Ausrüstung an die Helfer abgeben, von Flugzeugen über Fahrzeuge bis zu Feldkrankenhäusern. Unter dem Dach der neuen Institution soll die Logistik dann privaten Organisationen wie dem Roten Kreuz und öffentlichen Organisationen wie dem THW zur Verfügung stehen.
Hilfseinsätze der Bundeswehr wie in der Ebola-Krise wären dann Vergangenheit. Zur Begründung heißt es im Antrag, die Armee „verfügt zwar über große Ressourcen und hält diese auf Abruf bereit, ist aber auf das Führen von Kriegen spezialisiert, nicht auf Katastrophenhilfe“.
Kommt bei der SPD schlecht an
Und was hat Willy Brandt damit zu tun? „Mit dem Namen wollen wir uns auf seine friedlichen Überzeugungen beziehen“, sagt die linke Abgeordnete Inge Höger.
Dass die Linkspartei so offen für die SPD-Ikone schwärmt, kommt bei den Sozialdemokraten nicht gut an – ebenso wenig wie das Konzept des Hilfskorps an sich. Der Abgeordneten Ute Finckh-Krämer zufolge sind in den vergangenen Jahren bereits die Kapazitäten des THW für „verlässliche technische und logistische Unterstützung humanitärer Hilfe“ ausgebaut worden.
Sie sagt: „Der Antrag vermischt das fünf Jahre alte Projekt von Oskar Lafontaine, das THW neu zu erfinden, mit der aktuellen Diskussion um den dramatisch angestiegenen Bedarf an humanitärer Hilfe weltweit. Einen solchen Missbrauch seines Namens hat Willy Brandt nicht verdient.“
Tatsächlich ist die Idee nicht neu. Zwar bringt die Linkspartei das Korps zum ersten Mal in den Bundestag ein, weil Ende Mai ein UN-Gipfel zur humanitären Hilfe stattfindet. Im Parteiprogramm steht die Forderung aber schon länger.
Wo bleibt der internationale Anspruch?
Die Initiative dazu kam auf dem Parteitag 2011 von Lafontaine, der die Sozialdemokraten seit seinem Austritt aus der SPD immer wieder provoziert. „Die jetzige sozialdemokratische Führung ist geschichtsvergessen. Wir aber dürfen diesem Irrtum nicht verfallen“, sagte er damals.
Die Linkspartei solle sich auf Brandt berufen, weil sich dieser für ein friedliches Deutschland eingesetzt habe. Gregor Gysi setzte noch einen drauf: Weil die SPD deutschen Kriegseinsätzen zustimme, gehöre ihnen Willy Brandt nicht mehr. „Ab heute gehört der uns!“, sagte er.
Schon damals tobte die SPD. Aber auch in der Linkspartei war der Name umstritten: Nicht alle Delegierten wollten sich Brandt zum Vorbild nehmen. Schließlich steht dieser nicht nur für seine Entspannungspolitik, sondern auch für Maßnahmen wie den Radikalenerlass, der Hunderte Berufsverbote bewirkte. Auch unter aktuellen Linken-Abgeordneten gibt es Vorbehalte. Fraktionsmitglied Halina Wawzyniak stimmte nach eigenen Angaben in einer internen Sitzung gegen den Antrag, sowohl wegen des Namens als auch aus inhaltlichen Gründen. Insgesamt gab es ihr zufolge drei Nein-Stimmen.
Weit mehr Gegenstimmen sind am Donnerstag Abend aus den übrigen Fraktionen zu erwarten: Gegen das Willy-Brandt-Korps sind neben SPD und Union auch die Grünen. „Mich stört, dass das eine völlig nationale Veranstaltung wäre, die eigentlich durch ein Kreisky-Korps, ein De-Gaulle-Korps und ein Churchill-Korps ergänzt werden müsste. Dabei geht die Tendenz in der humanitären Hilfe in die andere Richtung: Die meisten Organisationen internationalisieren sich“, sagt der Abgeordnete Tom Koenigs.
(In einer früheren Version des Artikels hieß es: „Auch unter aktuellen Linken-Abgeordneten gibt es solche Vorbehalte, Widerstand gegen den aktuellen Antrag leistete in der Fraktion aber niemand.“ Die Aussage beruhte auf Angaben aus Fraktionskreisen.)
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