piwik no script img

Linkspartei im WahlkampfLinke setzt auf Aufbau Ost

Die Linke schrumpft im Osten. Zu Beginn des Wahljahrs konzentriert sie sich auf die einstige Hochburg und fordert die gleiche Lebensverhältnisse.

Eva von Angern, Dietmar Bartsch und Simone Oldenburg wollen für die Linke den Osten erobern Foto: Florian Gaertner/imago

Berlin taz | Nicht die rote Tapete der Berliner Parteizentrale, sondern den blauen Himmel der Bundespressekonferenz wählten Spit­zen­po­li­ti­ke­r:in­nen der Linken am Mittwoch für ihren Auftritt. Normalerweise eine Kulisse, die die Linke nur nach Wahlen bucht, zuletzt nach den für die Partei verheerenden in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.

Nun aber präsentierten Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, und die Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, Eva von Angern und Simone Oldenburg außer der Reihe einen 8-Punkte-Plan für „föderale Fairness“. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Berlins Kultursenator Klaus Lederer und die Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow unterschrieben ebenfalls.

Die eigentliche Botschaft der Linken: Wir wollen uns den Osten zurückholen. „Die Linke hat Hegemonieanspruch im Osten“, bekräftigte Bartsch. Man strebe überall in den neuen Ländern Mitte-Links-Bündnisse an. Von Angern, die als Spitzenkandidatin für die Linke in Sachsen-Anhalt antritt, setzte noch einen drauf: „Ich trete als Herausforderin von CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff an.“

Millionären ins Portemonnaie greifen

In vier von sechs ostdeutschen Bundesländern wird in diesem Jahr ein neuer Landtag gewählt. Den Auftakt macht Sachsen-Anhalt im Juni, im September folgen Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, zeitgleich zur Bundestagswahl. Die Linke, die mit ihrer Vorläuferpartei PDS im Osten mal Volkspartei war, verzeichnet hier seit Jahren Mitgliederschwund und sinkende Wahlergebnisse. Umfragen sagen der Partei derzeit um die 15 Prozent in Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg voraus, und 30 Prozent in Thüringen.

Mit dem 8-Punkte-Plan setzen die Linken, deren Mitglieder inzwischen zu fast zwei Dritteln im Westen wohnen, den Osten wieder als Kernthema. Sie fordern eine Angleichung der Ostrenten noch vor der Bundestagswahl und der Ostlöhne bis zum Jahr 2025. Außerdem wollen sie das Heimatministerium in Ministerium für gleichwertige Lebensverhältnisse umbenennen und mit Milliarden verödete Innenstädte beleben und stillgelegte Bahnstrecken samt Bahnhofskneipen wieder in Betrieb nehmen.

Zentral für all diese Vorhaben ist eine Besteuerung der Vermögen. Laut Deutschem Institut für Wirtschaft belaufen die sich insgesamt auf 12 Billionen Euro. Das ist die zweite Kernbotschaft der Linken zum Wahlkampfauftakt: Man will Multimillionären ernsthaft ans Portemonnaie. Im November 2020 hatte die Fraktion ein vom DIW durchgerechnetes Konzept für eine Abgabe vorgestellt, die 310 Milliarden Euro innerhalb von 20 Jahren bringen könnte. Damit wäre ein Teil der 450 Milliarden Euro Schulden, mit denen Finanzminister Olaf Scholz bis 2022 rechnet, wieder drin. Die Linke fordert außerdem eine jährliche Vermögenssteuer. Ob Abgabe oder Steuer, darüber ist man sich in der Linken noch nicht ganz einig. Am besten beides.

Einigkeit im kleinen Kreis

Doch es gibt Unterschiede: Die Steuer würde der Bund erhalten, die Abgabe stünde den Ländern zu. Um eine Steuer einzuführen, wäre eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig, eine Abgabe könnte der Bundestag allein beschließen.

Für eine solche Steuer braucht es Mehrheiten. Im Institut für Solidarische Moderne, dem einzigen Forum, in dem sich Hin­ter­bänk­le­r:in­nen von Linken, Grünen und SPD derzeit zum regelmäßigen Austausch treffen, ist man sich einig. Auf einer Veranstaltung Ende November votierten Fi­nanz­po­li­ti­ke­r:in­nen aller drei Parteien für einen Lastenausgleich.

Die Grüne Lisa Paus in Form einer Abgabe, wie sie auch 1952 von der Adenauer-CDU eingeführt und dann über 30 Jahre gestreckt erhoben wurde. Die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe in Form einer Steuer, weil diese das grundsätzliche Problem der Ungleicheit angehen würde, und der Linke Axel Troost für einen Mix aus beidem. Anfang der Woche kamen die drei erneut zum Thema Schuldenbremse zusammen. Und auch da war man sich einig. Es wäre sinnvoll, sie abzuschaffen.

Allein: Obwohl sich nun auch die SPD konkret und die Grünen irgendwie zur Vermögenssteuer bekennen, gibt es derzeit keine Spitzengespräche. Und auch rechnerisch hätte Rot-Rot-Grün keine Mehrheit.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es fälschlicherweise, die Abgabe könnte 310 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Wir haben dies nachträglich korrigiert und bitten um Entschuldigung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • „Sie (=die Linken) fordern eine Angleichung der Ostrenten noch vor der Bundestagswahl und der Ostlöhne bis zum Jahr 2025 . . .“ „Die Linke fordert außerdem eine jährliche Vermögenssteuer. Ob Abgabe oder Steuer, darüber ist man sich in der Linken noch nicht ganz einig. Am besten beides“ . . .



    . . . und und und! Die Linkspartei ist immer vorn dran, wenn sie Forderungen aufstellen kann, die sie ganz bestimmt nicht selbst erfüllen muss. Aber im Osten gibt es noch zu viele Leute, die die praktische Regierungsarbeit der früheren Staatspartei SED in der untergegangenen DDR erlebt haben, und wollen das nicht nochmal erleben. Daher die Schwäche der Linken dort.



    Diese Erfahrungen fehlen im Westen. Viele sehen nur die wohlklingenden Versprechungen, aber nicht, wie es aussähe, wenn die Linkspartei selbst die Richtlinien der Politik bestimmen würde.



    Dort, wo die Linken regieren (Thüringen) oder an Regierung beteiligt sind (Berlin), ist nicht zu erkennen, dass ihre Leistungen über das hinausgehen, was nicht auch andere geschafft hätten!

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "....und fordert die gleiche Lebensverhältnisse."

    Mit welchem Recht? Schon vergessen, dass die DDR völlig pleite war?



    Und sind die Lebensverhältnisse in Ost und West, in Nord und Süd nicht immer unterschiedlich gewesen?



    Wahlkampfgedöns.



    Ich hätte der Linken da mehr Substanz zugetraut!