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Linkes WahldebakelLinke Promis für Neustart gesucht

Der Vorstand der Linkspartei trifft sich am Wochenende und wertet die Wahlniederlage aus. Rollen bald die ersten Köpfe?

Janine Wissler, Dietmar Bartsch und Susanne Hennig-Wellsow kommentieren die Wahlniederlage Foto: Jürgen Heinrich/imago

Berlin taz | Zwei Tage nimmt sich der Vorstand der Linkspartei am Wochenende Zeit um über dem enttäuschenden Wahlergebnis zu brüten und erste Schlussfolgerungen zu ziehen. Zum ersten Mal seit dem Lockdown im Frühjahr 2020 treffen sich die 44 Ge­nos­s:in­nen auch wieder in Präsenz, und zwar in einem Hotel im Berliner Bezirk Lichtenberg. Gewissermaßen auf heimatlichem Boden, denn hier konnte die Partei am Sonntag eines von drei Direktmandaten gewinnen, dank derer sie trotz gerissener Fünf-Prozent-Hürde wieder in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten ist.

Die Linke büßte bei der Bundestagswahl am Sonntag gut 2 Millionen Zweitstimmen ein und kam nur noch auf einen Stimmenanteil von 4,9 Prozent. Die größten Verluste erlitt sie dabei im Osten, auch der Bezirk Lichtenberg zählt trotz gewonnenem Direktmandat zu den Stimmbezirken, in denen die Partei ordentliche Einbußen verzeichnen musste.

Über 1 Million Wäh­le­r:in­nen wanderten Infratest dimap zufolge von der Linken zu SPD und Grünen ab. In einer ersten Schätzung der Wählerwanderung war die Zahl auf 1,4 Millionen beziffert worden.

Dabei büßte die Linke in allen Altersgruppen und in allen Berufsgruppen ein. Am stärksten, mit jeweils fünf Prozentpunkte bei Menschen zwischen 45 und 60 Jahren und bei Arbeiter:innen.

Kaum Kompetenz, keine Führungspersönlichkeiten

Als Gründe werden in einer der taz vorliegenden Wahlnachtanalyse aus der Geschäftsstelle Kompetenzverluste auf allen Themenfeldern genannt, und zwar sowohl bei den Spitzenthemen „soziale Gerechtigkeit“, „angemessene Löhne“ und „Altersvorsorge“ als auch bei anderen Themen wie Familienpolitik, Steuerpolitik, Gesundheitspolitik und Flüchtlingspolitik. Bei der Außenpolitik verlor die Linkspartei auf niedrigem Niveau noch einmal, nur zwei Prozent der Wäh­le­r:in­nen trauen der Linken eine gute Außenpolitik zu. Eben so viele sehen sie als kompetent bei den Themen Umwelt und Klima an.

Bezogen auf alle Wäh­le­r:in­nen stimmten laut Infratest 70 Prozent der Aussage zu, dass die Linke „keine überzeugenden Führungspersonen mehr habe“ und etwa zwei Drittel der Befragten halten ihre Positionen „für unrealistisch und nicht finanzierbar“.

Dass der Vorstand die beiden Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler persönlich für die Verluste haftbar macht, ist sehr unwahrscheinlich, sind doch beide erst seit sechs Monaten im Amt. Gerade Janine Wissler war als Spitzenkandidatin für ihre eloquenten Auftritte auf Podien und Wahlveranstaltungen gelobt worden.

Wissler und Korte als Führungsduo im Bundestag?

Im Vorfeld der Vorstandssitzung hatten sich mehrere Ge­nos­s:in­nen aus dem Vorstand gegenüber der taz aber für einen Wechsel an der Fraktionsspitze ausgesprochen.

Die von 69 auf 39 Mitglieder geschrumpfte Bundestagsfraktion wird von 2015 von Dietmar Bartsch geleitet, seit 2019 zusammen mit Amira Mohamed Ali. Bartsch war neben Wissler auch Spitzenkandidat im Wahlkampf. Ein Mitglied des Parteivorstands sagte der taz, dass es in den vergangenen Jahren kaum möglich gewesen sei, gemeinsame Positionen in der Migrations- und Klimapolitik zu finden und zum Umgang mit der Corona-Krise. „Dabei ist nicht die Pluralität der Partei das Problem, sondern die eigenmächtige und beliebige Kommunikation vieler Funktionsträger:innen, insbesondere in der Fraktion.“

Mehrere Parteimitglieder, mit denen die taz sprach, bestätigen diesen Missstand und lasten ihn insbesondere Bartsch an. Über Mohamed Ali hieß es, sie habe sich ordentlich eingearbeitet, sei aber ein politisches Leichtgewicht. Gegenüber der taz wurde der Wunsch laut, dass künftig der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte zusammen mit Janine Wissler die Fraktion führen sollte. Wissler hatte jedoch schon angedeutet, sie wolle sich auf ihre Aufgabe als Parteivorsitzende konzentrieren. Der neue Fraktionsvorstand soll voraussichtlich Ende Oktober gewählt werden.

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13 Kommentare

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  • Die beiden Vorsitzenden erzeugen in der Bevölkerung kein Wir-Gefühl, sondern ein Ihr-Gefühl. Die Linke hatte sich nicht das geeignete Führungsduo ausgewählt. Meine Meinung.

  • "Linke Promis für Neustart gesucht"



    Es gibt nur eine und sie heißt "Sahra Wagenknecht"

  • Also, was mich erschreckt hatte, war, dass die regelrechte Angstmache vor einer rot-grün-roten Mehrheit/Regierung dermaßen erfolgreich war! Da fragt sich doch direkt, ob Laschet tatsächlich solch ein Looser war/ist!? Ich denke dies eben deswegen nicht...



    Und: Es ist leider nicht gelungen, dieser scheinbar sehr tiefsitzenden Angst vor linken Mehrheitsverhältnissen adäquat zu begegnen, diese zu kontern.



    Alle anderen gängigen Argumente multiplizieren sich dann noch entsprechend...



    Und etwas, was auch immer wieder gerne in Vergessenheit gerät: Wir hatten ja quasi noch v o r der Wahl eine gegebene "Linke Mehrheit" (SPD, Grüne + Die Linke) - was allerdings hauptsächlich wg. des bekannten Unwillens der SPD nicht z.B. zur Vertrauensfrage, Neuwahlen und/oder Koalitionswechsel mit Regierungsverantwortungsübernahme vor Ablauf der Legislaturperiode führte! Die SPD blieb dagegen lieber in einer großen Koalition. Mit allen Konsequenzen, wohlgemerkt. In meinen Augen hat sie sich allein dadurch dauerhaft für linke Koalitionen disqualifiziert...

    Die Misere der Linken nun ist so betrachtet sowohl hausgemacht, als auch von CDU + SPD initiiert.



    Deswegen wird es zukünftig verschärft darum gehen, sich gegen diese Kräfte strikt abzugrenzen.



    Und ob es wirklich darauf ankommt, eine Politik, ein Program zu stricken, welches dem Bürger gefällt...?? Bei den vorhandenen "Bürgerlichen Vorlieben" wage ich dass doch sehr zu bezweifeln. Da bleibe ich doch lieber dauerhaft in der Opposition und treibe die Regierung immer schön vor mir her. Mit wachsender Begeisterung!

    • @Dahli:

      Wenn es wirklich so sein sollte, dass sich potentielle Wähler der Linken dadurch haben beeinflussen lassen, dass die Partei mit dem "C" im Namen ihnen "ins Gewissen geredet" hat, dann zeigt sich darin ein allgemeines gesellschaftliches Problem. Es gibt ein übermäßiges Bedürfnis, dazuzugehören und sich nicht etwa durch eine abweichende politische Meinung ins Abseits zu stellen - und insbesondere die Union scheint diese gesellschaftliche Hegemonie für sich gepachtet zu haben. Insofern kann man auch Laschets Abgabe des falsch gefalteten Stimmzettels interpretieren als ein Statement nach dem Motto: "Seht her, ich habe so gewählt, wie es zum guten Ton gehört, ich habe mein Kreuz bei der CDU gemacht und habe somit nichts zu verbergen." Ein freundschaftlicher Rat an all diejenigen, die mal wieder der "bürgerlichen" Moral auf den Leim gegangen sind: Stellt euch vor, ihr sitzt in der Wahlkabine. Schaut auf den Stimmzettel, sucht die Stelle aus, wo ihr selbst euer Kreuz machen wollt. Dann denkt an alle, bei denen dies größtes Missfallen erwecken würde - ob Nachbarn, Kollegen, der Chef, die Eltern oder vermeintliche "Freunde".



      Und nun macht euch klar, was sie euch (Dativ) können: nämlich nichts. Und zeigt ihnen durch Nichtbeachtung eventueller Erwartungen auch, was sie euch (Akkusativ) können und vor allem wie: ... kreuzweise. Vielleicht klappt's so bei der Nächsten Wahl in vier Jahren.

    • @Dahli:

      Ev. sollte die Linke einfach mal akzeptieren das über 90% keine Politik links neben der SPD wollen?

      Die "Schuld" auf andere zu schieben war aber schon Teil dieser Partei als sie noch SED hieß, der böse Westen .. blabla bla.



      Klingt mir heute noch in den Ohren.

      Der Weg hin zur Mitte von Scholz hatte die Konsequenz das die SPD an der Union vorbeigezogen ist.



      Und sollte Scholz weiter diesen Kurs fahren wird die SPD noch erfolgreicher werden. Sollte die Linke dabei unter die Räder kommen wäre ich nicht traurig.

      • @Alwin3012:

        Sollte die Linke unter die Räder kommen, wäre dies nur ein weiterer Beweis der "politischen Rotverschiebung", welche ich nun schon seit den 70.ern beobachte. Was damals "links" hieß dürfte mittlerweile durchaus im terroristischem Spektrum angesiedelt werden von der "Definitionsmacht", welche stets passender Weise die "politische Mitte" für sich beansprucht - in Wahrheit allerdings Rechtslastig (in jeder Doppeldeutigkeit) ist und so auch handelt.

        Und bei so einer Wahlbeteiligung wie wir sie hatten von 90% Ablehnung Linker Politik zu sprechen, verkennt schlicht die Realität. Stimmen tut allerdings, daß die Linken ihr Wählerpotenzial nicht ausreichend aktivieren konnte....

        Sollte die Linke untergehen, werden wir sie auf Dauer vermissen. Wir brauchen sie schlichtweg. Eigentlich sind sie sogar unverzichtbar und notwendig - und sei´s als "politisches Korrektiv".

  • Es fehlt zumindest im Westen an Leuten in der Kommunalpolitik, die die das ausrechnen und ausformulieren, was es heisst, wenn kommunaler Wohnraum privatisiert wird oder Stadtwerke im globalen Finanzroulette mitmischen. Die sich auskennen und vernetzt sind in der Sozialarbeit, die die Leute nicht vor den Kopf stossen mit einem Natoaustritt nach über 10.000 Toten in der Ukraine und einem russischen Flächenbombardement gegen die Zivilbevölkerung in Syrien (Trump hat es dann gemacht - Good bye Rojava), die nicht aus Luxuslimousinen steigen und von Armut sprechen und dann diee Reichen anprangern (das finde ich etwas abstossend) auch wenn es ja nur der kostenlose parlamentarische Fahrdienst ist oder der eigenen Gehaltsklasse angemessen. Es ist wichtig das die Leute keine Angst haben in der Partei ihre Meinung zu sagen und Fragen von den Initiativführern beantwortet bekommen - wenn jefrau ihr Gesicht der Partei die Linke leiht, dann muss sie halbwegs in der Lage sein sich oder die Position zu begründen, sonst bricht sie irgendwann zusammen. Talente fördern. Das Gösta Beutin nicht mehr vertreten ist, obwohl er sich gerade Reputation zum Gesellschaftsthema Nummer 1 erarbeitet, zeugt von Realitätsferne. Alle die Verantwortung für die Gesellschaft zumindest vorgeben zu übernehmen, müssen darauf möglichst kompetent antworten. Und dann natürlich Wagenknecht, Populistin in eigener Sache. Lesen sie die Welt, was sie dort sagt, was dort über die Linke gesagt wird, der Linken ins Nest gelegt wird. "Kämpft" die Linke gegen SPD und Grün oder gegen CDU und FDP? (am besten gegen alle) Gute Oppositionsarbeit ist essentiell, aber wenn man die Möglichkeit hat selbst aktiv zu gestalten, dann muss man darauf vorbereitet sein und darf sich nicht verschliessen. Das ist ein grundsätzlicher Anspruch und liegt in der Natur der Sache.

  • Ursachen suchen, nicht Schuldige!



    Die Ursachen der Ohrfeige durch die Wähler liegen im Programm der Linke, nicht in den Personen. Die überwältigende Mehrheit mag die Pläne der Linke nicht. Und wenn jemand aus den eigenen Reihen ihnen das sagt, wird er/sie nieder gemacht, siehe Wagenknecht. Meines Erachtens steht in ihrem Buch alles, was zu diesem desaströsen Wahlergebnis geführt hat. Oder vereinfacht gesagt: "Die Politik muss den Bürgen gefallen, nicht der Partei". Zu viel Ideologie, zu wenig Realismus.

    • @Rudi Hamm:

      "Meines Erachtens steht in ihrem Buch alles, was zu diesem desaströsen Wahlergebnis geführt hat."



      Ja, richtig, in ihrem Buch steht durchaus vieles was zu diesem desaströsen Wahlergebnis geführt hat. Aber lassen wir sie mal selbst zu Wort kommen:



      "Natürlich ist eine junge Familie nicht erfreut, wenn sie noch länger auf eine der spärlich gesäten Sozialwohnungen warten muss, weil auch immer mehr Einwanderer auf der Liste stehen. Natürlich ärgert es Beschäftigte, wenn das Lohnniveau sinkt, weil Unternehmen Migranten als Lohndrücker missbrauchen" [1]



      "Der Staat muss jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können."



      Als Gegenposition zu Merkels: "Wir schaffen das." [2]



      Die Selbstgerechten:



      „Nationen entstehen durch eine gemeinsame Kultur und Sprache, durch geteilte Werte, gemeinsame Traditionen, Mythen und Erzählungen.“ (S. 235)



      Hervorzuheben ist hier, dass sie von Nation (lat. natio: Geburt) schreibt, die sich vom modernen Staatsbegriff dadurch abgrenzt, dass sich die Zugehörigkeit in erster Linie qua Abstammung definiert.



      „Gemeinsame Identitäten beruhen auf gemeinsamen Erzählungen, die Werte, Normen und Verhaltungsregeln festlegen. Viele Bräuche und Traditionen haben gerade darin ihren Wert, Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit zu vermitteln und so gegenseitige Loyalitätsgefühle zu schaffen.“ (S. 206)



      Eine homogene Gemeinschaft auf Basis von Brauchtum und Mythen anstelle einer diversen Gesellschaft die auch Platz für unterschiedliche Lebensweisen und -entwürfe bietet. Wo hat man das nur schon mal gehört?



      ...

      • @Ingo Bernable:

        ...



        "Der Linksliberalismus stellt den Gemeinschaftswerten, die er wahlweise als überholt abqualifiziert oder als nationalistisch und wohlstandschauvinistisch verdammt, seine Idee einer offenen Gesellschaft entgegen" (S. 129) Ja, aber was denn sonst? Eine illiberale linke Politik (mE ein Oxymoron) und eine geschlossene Gesellschaft?



        Ich könnte ohne Quellenangabe bei keiner dieser Aussagen zuordnen ob sie von Wagenknecht, Sarrazin oder Gauland stammen. Sie?



        [1] taz.de/Neues-Buch-...enknecht/!5771163/



        [2] www.spiegel.de/pol...gen-a-1104864.html

        • @Ingo Bernable:

          Die "Selbstgerechte" könnte mit Palmer und Sarrazin eine rot-rot-grüne Koalition bilden, die sogar von der AFDP akzeptiert würde!

    • @Rudi Hamm:

      "Die Politik muss den Bürgen gefallen, nicht der Partei". Zu viel Ideologie, zu wenig Realismus"



      Besser hätte ich auch ausdrucken können.

      • @Anna Deiport:

        sorry



        Besser hätte ich auch nicht ausdrucken können.