Linkes Wahldebakel: Linke Promis für Neustart gesucht
Der Vorstand der Linkspartei trifft sich am Wochenende und wertet die Wahlniederlage aus. Rollen bald die ersten Köpfe?
Die Linke büßte bei der Bundestagswahl am Sonntag gut 2 Millionen Zweitstimmen ein und kam nur noch auf einen Stimmenanteil von 4,9 Prozent. Die größten Verluste erlitt sie dabei im Osten, auch der Bezirk Lichtenberg zählt trotz gewonnenem Direktmandat zu den Stimmbezirken, in denen die Partei ordentliche Einbußen verzeichnen musste.
Über 1 Million Wähler:innen wanderten Infratest dimap zufolge von der Linken zu SPD und Grünen ab. In einer ersten Schätzung der Wählerwanderung war die Zahl auf 1,4 Millionen beziffert worden.
Dabei büßte die Linke in allen Altersgruppen und in allen Berufsgruppen ein. Am stärksten, mit jeweils fünf Prozentpunkte bei Menschen zwischen 45 und 60 Jahren und bei Arbeiter:innen.
Kaum Kompetenz, keine Führungspersönlichkeiten
Als Gründe werden in einer der taz vorliegenden Wahlnachtanalyse aus der Geschäftsstelle Kompetenzverluste auf allen Themenfeldern genannt, und zwar sowohl bei den Spitzenthemen „soziale Gerechtigkeit“, „angemessene Löhne“ und „Altersvorsorge“ als auch bei anderen Themen wie Familienpolitik, Steuerpolitik, Gesundheitspolitik und Flüchtlingspolitik. Bei der Außenpolitik verlor die Linkspartei auf niedrigem Niveau noch einmal, nur zwei Prozent der Wähler:innen trauen der Linken eine gute Außenpolitik zu. Eben so viele sehen sie als kompetent bei den Themen Umwelt und Klima an.
Bezogen auf alle Wähler:innen stimmten laut Infratest 70 Prozent der Aussage zu, dass die Linke „keine überzeugenden Führungspersonen mehr habe“ und etwa zwei Drittel der Befragten halten ihre Positionen „für unrealistisch und nicht finanzierbar“.
Dass der Vorstand die beiden Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler persönlich für die Verluste haftbar macht, ist sehr unwahrscheinlich, sind doch beide erst seit sechs Monaten im Amt. Gerade Janine Wissler war als Spitzenkandidatin für ihre eloquenten Auftritte auf Podien und Wahlveranstaltungen gelobt worden.
Wissler und Korte als Führungsduo im Bundestag?
Im Vorfeld der Vorstandssitzung hatten sich mehrere Genoss:innen aus dem Vorstand gegenüber der taz aber für einen Wechsel an der Fraktionsspitze ausgesprochen.
Die von 69 auf 39 Mitglieder geschrumpfte Bundestagsfraktion wird von 2015 von Dietmar Bartsch geleitet, seit 2019 zusammen mit Amira Mohamed Ali. Bartsch war neben Wissler auch Spitzenkandidat im Wahlkampf. Ein Mitglied des Parteivorstands sagte der taz, dass es in den vergangenen Jahren kaum möglich gewesen sei, gemeinsame Positionen in der Migrations- und Klimapolitik zu finden und zum Umgang mit der Corona-Krise. „Dabei ist nicht die Pluralität der Partei das Problem, sondern die eigenmächtige und beliebige Kommunikation vieler Funktionsträger:innen, insbesondere in der Fraktion.“
Mehrere Parteimitglieder, mit denen die taz sprach, bestätigen diesen Missstand und lasten ihn insbesondere Bartsch an. Über Mohamed Ali hieß es, sie habe sich ordentlich eingearbeitet, sei aber ein politisches Leichtgewicht. Gegenüber der taz wurde der Wunsch laut, dass künftig der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte zusammen mit Janine Wissler die Fraktion führen sollte. Wissler hatte jedoch schon angedeutet, sie wolle sich auf ihre Aufgabe als Parteivorsitzende konzentrieren. Der neue Fraktionsvorstand soll voraussichtlich Ende Oktober gewählt werden.
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