Linkes Jugendzentrum in Mannheim: Fünfzig Jahre jung
Ein Hort für Autonome, Punks und Spontis. Trotz Geldsorgen und Angriffen von rechts existiert das JUZ ein halbes Jahrhundert.
Aus der Frühphase der Jugendzentrumsbewegung Anfang der 1970er Jahre existieren heute kaum noch Einrichtungen. Vor allem keine, die von der Kommune finanziert als selbstverwaltete Jugendzentren fortbestehen und dabei auch noch ihren linken politischen Charakter bewahren konnten. Eine große Ausnahme: das Jugendzentrum in Selbstverwaltung Friedrich Dürr in Mannheim (JUZ). Obwohl es immer wieder kurz vor der Schließung stand, feiert es nun am fiktiven „Nullten Mai“ sein 50-jähriges Bestehen.
Wie relevant die Jugendzentren in den 70ern waren, zeigen die massiven Proteste von hunderten Jugendlichen, nachdem 1972 gleich mehrere Jugendkneipen geschlossen wurden. Sie meldeten Demos an, besetzten den zentral gelegenen Paradeplatz, veranstalteten Konzerte, Theater- und Filmaufführungen in der Öffentlichkeit, produzierten Flugblätter und machten durch unzählige andere Aktionen auf die miserable Sozial- und Jugendpolitik der Stadt aufmerksam.
Für viele waren bezahlbare Freizeitangebote und günstiges Kneipenbier in dieser Zeit kaum mehr zugänglich. Es mangelte an öffentlichen Räumen. Dadurch war es für sie schwer, beengten Wohnverhältnissen zu entkommen. Nach einem achtmonatigen Kampf gegen die Stadtverwaltung, gewaltsame Polizist:innen und eine Presse, die nicht auf der Seite der Jugendlichen stand, gab es Resignation in der Mannheimer Initiativgruppe. Der Comic auf einem Flugblatt von damals hält das parodistisch fest. Unter der Wandbemalung „Anno 2011“ sitzen zwei in die Jahre gekommene „Jugendliche“ auf dem Bordstein und unterhalten sich: „Hast schon gehört. Sie wollen uns ein Altersheim in Selbstverwaltung geben“ – „Ich glaubs nicht mehr“.
Doch nicht alle nahmen die Situation mit Galgenhumor. Damalige Zerreißproben spiegelten sich in internen Konflikten zwischen den „Formaldemokraten“ der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und den Spontis, die „alle Macht der Vollversammlung“ forderten, wider. Die Stadt stellte ein Vierteljahr später doch noch ein Gebäude als Provisorium zur Verfügung. Das JUZ wurde dadurch erhalten und die Konflikte wurden befriedet – vorerst.
Von Modekaufhaus an den Stadtrand verdrängt
Denn die frühen politischen Kämpfe setzten sich im Inneren des JUZ fort. Nach etwa einem Jahr räumten die Spontis das Feld und das Selbstverwaltungsmodell wurde straff nach dem Delegiertenprinzip organisiert. Bei aller berechtigten Kritik an den oft autoritären Maßnahmen der DKPler hatte dieses Modell zur Folge, dass es seine ideologischen Architekten überdauerte und dabei die Struktur sogar über das Ende der Jugendzentrumsbewegung hinaus rettete. Als in den 1980er Jahren die „Neuen Sozialen Bewegungen“ aufkamen, konnten sich die Punks diesen Raum genauso neu aneignen wie die Frauen- und Autonomenbewegung.
Dadurch wurde zwar das Selbstverwaltungskonzept sukzessive entformalisiert und dabei die Vollversammlung zum einzigen Entscheidungsgremium. Doch auch jene Fraktionen, die ein Autonomes Zentrum frei von kommunalen Abhängigkeiten anstrebten, konnten sich nie so richtig durchsetzen. Denn trotz wiederkehrender politischer Angriffe von rechts mit entsprechenden Schließungsanträgen im Gemeinderat ermöglichte die seit jeher von der SPD geführte Arbeiterstadt Mannheim immerhin, dass durch Staatsgelder auch eine linke Subkultur auf Sparflamme erhalten wurde.
Trotzdem sah es einige Male in der JUZ-Geschichte düster aus. Anfang der 90er Jahre wurde auch in Mannheim die Innenstadt „saniert“. Der Verkauf des Gebäudes an das stadtgrößte Bekleidungsunternehmen für hochpreisige Mode führte dazu, dass das JUZ an den Stadtrand verdrängt wurde. Nur durch erneuten Protest konnte es in einem ehemaligen Gartencenter wiedereröffnen. Während bis dahin noch Schüler:innen nach dem Unterricht das Tagescafé regelmäßig nutzten, um hier mehr oder weniger politischer Freizeitgestaltung nachzugehen, führte dieser Umzug zum Wegfall des Laufpublikums.
Vermerk beim Verfassungsschutz
Das JUZ wurde, nachdem sich in den Dörfern und Kleinstädten der Region vergleichbare linke Orte allmählich auflösten, als Kulturzentrum zum Anlaufpunkt für Konzerte, Partys und linke Mobilisierungen. Die Verfassungsschutzberichte des Landes Baden-Württemberg kommen wohl auch deswegen seit Jahrzehnten nicht mehr ohne einen Vermerk zum JUZ aus.
Den letzten großen Angriff auf das JUZ gab es vor knapp fünf Jahren. Durch den Übertritt eines Abgeordneten der Grünen zur CDU kam die knappe Mehrheit linker Parteien im Mannheimer Stadtrat ins Wanken. Der Verfassungsschutz unterstellte dem JUZ in dieser Zeit eine Kontaktschuld zum G20-Protest in Hamburg. Die CDU nahm das zum Anlass, bei der Etatverhandlung zum Haushalt 2018 als Spar- und Umverteilungsmaßnahmen getarnte Schließungsanträge einzubringen, und zählten dabei auf die Stimmen von NPD und AfD. Wieder gab es Protest, der schließlich erfolgreich war. Vor allem deswegen, weil jahrzehntelang unterschiedliche Generationen das JUZ durchlaufen hatten, die nun auch selbst in Parteien, Verwaltung, Kultur- und Medieninstitutionen der Stadt verankert sind.
Dass es als Jugendeinrichtung gilt, rettete „den JUZis“ immer wieder den Kragen. Wie Max Temmer, einer der Geschäftsführer:innen des JUZ, sagt, habe die Institutionalisierung als Jugendhilfeträger zwar Sicherheit gebracht. Doch auch im JUZ hätten sich die kommunalen Sparzwänge niedergeschlagen. Ein Rückstau der Gebäudesanierung, prekäre Minijobs zur Betreuung des Jugendcafés, ständige Projektmittelakquise und eine Stadtbürokratie, bei der das JUZ nicht so recht ins Raster passt, sind nur einige Probleme.
Doch das enorme Mobilisierungspotenzial und die überregionale Vernetzung im Zuge der letzten Schließungsanträge zeigen die feste Verankerung des JUZ in der Stadt. Und der nebulöse Gründungsmythos vom „Nullten Mai“ lässt es nun sogar zu, dass zum Geburtstag gleich ganze Festwochen stattfinden.
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