Linkes Hausprojekt vor Gericht: Dem Schokoladen bleibt noch ein Jahr
Das Kulturprojekt "Schokoladen" in Berlin- Mitte entgeht einem Räumungsurteil, wenn es freiwillig aufgibt. Weiter Bemühungen um eine politische Lösung.
Dem von der Räumung bedrohten Kulturprojekt Schokoladen in Mitte bleibt noch genau ein Jahr. Zum 30. September 2012 müssen die Betreiber der Konzertkneipe an der Ackerstraße das Ladenlokal an den Hauseigentümer zurückgeben. Darauf haben sich am Freitag die Anwälte beider Seiten auf Vorschlag des Landgerichts geeinigt. Damit ist auch klar, dass die Zeit für alle Rettungsbemühungen auf politischer Ebene begrenzt ist.
Das Haus Ackerstraße 169 war 1990 wie viele andere im Ostteil der Stadt besetzt worden. Die neuen Bewohner hatten bald Mietverträge von der damals zuständigen Wohnungsbaugesellschaft bekommen. Die Gewerberäume des Hauses werden von einem Off-Theater, dem Club der polnischen Versager und eben dem Schokoladen genutzt. Der hat sich vor allem mit seinen regelmäßigen Kleinkonzerten einen Ruf weit über die Stadt hinaus erarbeitet.
1993 kaufte der heutige Eigentümer Markus Friedrich das Haus. Seit gut acht Jahren versucht er, die Nutzer mit Kündigungen und Klagen loszuwerden, die jedoch bisher aus formalen Gründen gescheitert sind. Am Freitag wurde vor dem Landgericht erneut über eine Räumungsklage gegen die Veranstaltungskneipe verhandelt.
Jeder Monat ein Gewinn
Der Rechtsanwalt des Schokoladen-Vereins, Moritz Heusinger, wertete den erzielten Vergleich als Erfolg. Anders als die Bewohner des Hauses seien die Betreiber der Kulturprojekte in den Gewerberäumen kaum durch das Mietrecht geschützt. Deshalb sei jeder weitere Monat, der herausgehandelt würde, ein Gewinn - schon weil sich die Verhandlungen über eine politische Lösung hinziehen.
Schon vor Monaten hatte die SPD im Bezirk Mitte ein Dreiecksgeschäft als Ausweg ins Gespräch gebracht. Hauseigentümer Friedrich sollte einen Teil eines ehemaligen Schulgeländes rund 200 Meter weiter nördlich vom Land kaufen dürfen, wenn er das Haus mit dem Schokoladen an die Bewohner verkauft. So wäre das Kulturprojekt gerettet und Friedrich könnte auf dem noch landeseigenen Schulhof bauen.
Zwar ist es der Bezirks-SPD mittlerweile gelungen, die anfangs skeptischen Parteifreunde im Senat vom Sinn des Deals zu überzeugen. Allerdings ist Friedrich nicht zufrieden. "Auf dem Grundstück, das mir angeboten wurde, kann ich nur ein Gebäude mit 900 Quadratmetern Nutzfläche errichten", sagte er der taz. Das Schokoladen-Haus biete aber über 2.000 Quadratmeter Nutzfläche. Er fordert daher einen größeren Teil des alten Schulhofes.
Das aber geht den Vertretern von Bezirk und Senat zu weit, die über die Vergabe des landeseigenen Grundstücks entscheiden. Auf Nachfrage will sich niemand äußern, doch der alte Schulhof ist nach taz-Informationen als Tauschobjekt längst vom Tisch. Friedrich selbst würde eventuell auch gegen ein anderes landeseigenes Grundstück tauschen. Das sei aber noch mit vielen Wenn und Aber verbunden. Der Tausch mit dem Schulgelände hingegen könne innerhalb von vier Wochen über die Bühne gehen, "wenn sich ganz oben einer bewegen würde", so Friedrich.
Vier Wochen Zeit haben Friedrich und die Vertreter des Schokoladen-Vereins auch, um den vor Gericht erzielten Vergleich zu überdenken. Zieht eine Seite ihre Zustimmung zurück, treffen sie sich erneut vor Gericht. Der Termin steht schon fest: 2. Dezember, 9.30 Uhr.
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