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Linker Protest gegen G8-GipfelDemo-Leiter wird freigesprochen

Weil der Schwarze Block sich nicht an behördliche Auflagen hielt, sollte ein Versammlungsleiter Strafe zahlen. Nun wurde das Strafurteil aufgehoben.

Ans Vermummungsverbot hatte sich der Schwarze Block nicht gehalten (Archivbild). Bild: dpa

FREIBURG taz | Das Landgericht Karlsruhe hat den Versammlungsleiter einer linken Demonstration freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, er habe behördliche Auflagen nicht durchgesetzt.

Im Mai 2007 demonstrierten Linksradikale in Karlsruhe gegen Razzien der Bundesanwaltschaft im Vorfeld des G8-Gipfels. Die Demo war angemeldet, doch gab es strenge Auflagen. Unter anderem durften die Demonstranten nicht rennen, Transparente durften nicht als Sichtschutz benutzt werden, Kapuzen nicht zu tief in die Stirn gezogen werden.

Doch der Schwarze Block an der Spitze der Demo hielt sich nicht an die Auflagen. Immer wieder zählten die Demonstranten von zehn auf null herunter und rannten dann auf die Polizei los. Einmal sei dabei sogar ein Polizist mit einem Transparent eingewickelt und von den Demonstranten geschlagen worden. An Vermummungsverbot und Transparent-Vorgaben hielten sich die Demonstranten auch nicht.

Die Staatsanwaltschaft machte hinterher den Versammlungsleiter für die Verstöße verantwortlich und klagte ihn an. 2008 verurteilte ihn das Amtsgericht Karlsruhe zu 900 Euro Geldstrafe. Er habe sich „nur halbherzig und pro forma“ um die Durchsetzung der Auflagen gekümmert.

Mit schlechtem Beispiel voran?

Die linke Szene in Karlsruhe war empört: „Wie soll es in Zukunft möglich sein, Demonstrationen anzumelden und durchzuführen, ohne mit einer Strafverfolgung zu rechnen?“, hieß es in einem Aufruf.

Rechtsanwalt Martin Heiming ging in Berufung. Er verwies darauf, dass sich ein Demoleiter laut Versammlungsgesetz nur strafbar machen kann, wenn er selbst gegen Auflagen verstößt, also mit schlechtem Beispiel vorangeht. „Es gibt keine Strafvorschrift, die eine Bestrafung des Versammlungsleiters für Auflagenverstöße der Demonstranten erlaubt“, argumentierte Heiming. Es genüge auch nicht, dass die Behörden vom Demo-Leiter die Durchsetzung der Auflagen ausdrücklich verlangen.

Das Landgericht sprach den 31-jährigen Angeklagten – nach Informationen von Heiming – nun aber aus anderen Gründen frei. Richter Thomas Kleinheinz habe dem Angeklagten attestiert, dass er sich zumindest um die Einhaltung der Auflagen „bemüht“ habe. Das genüge, um eine Strafbarkeit auszuschließen. Der linke Anwalt zeigte sich „weitgehend zufrieden“ mit dem Ausgang des Prozesses.

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7 Kommentare

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  • S
    Sofa-Räwolutsa

    PS. Habe ich ganz vergessen: Gerne mieten wir uns unserer Provokateure ja auch per Amtshilfe von den Kollegen im europäischen Ausland an (Austauschgeschäft?). Natürlich läuft das dann unter "verdeckter Ermittlung", wird also im gleichen Etat abgerechnet wie die mittlerweile so berüchtigten "V-Leute":

     

    https://www.taz.de/Geheimermittlungen-in-Hamburgs-linker-Szene/!66097/

     

    In den allermeisten Artikeln muss man schon ganz genau lesen, um mitzukriegen, dass diese mutigen verdeckten Ermittler gelegentlich auch Straftaten begehen. Ich jedenfalls werde immer hellhörig, wenn ich was von "verdeckten Ermittlern" oder "Spitzeln" lese.

     

    Ich vermute mal, dass der Einsatz solcher Leute (wenn der überhaupt mal auffliegt) im Nachhinein auch gerne mal mit den Straftaten gerechtfertigt wird, die sie in Wirklichkeit selbst begangen haben.

     

    Übrigens stand ich selbst der staatlichen "Ordnungshüterei" nicht immer so kritisch gegenüber. Aber man liest und lernt ...

  • S
    Sofa-Räwolutsa

    Ach jechen! Was macht denn die Polizei und der Inlandsgeheimdienst (Verfassungs-"Schutz") jetzt mit all seinen Provokateuren und Handlangern, die man sich mühevoll ...

     

    - als V-Leute bei den Linken selbst heranzieht: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Peter_Urbach

     

    - aus den eigenen (polizeilichen) Reihen abstellt: http://taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/wie-scharfe-kampfhunde/

     

    - oder sich teuer, mühevoll und mit vielen Rückschlägen und PR-Risiken im braunen Löchlein herangezogen hat: https://taz.de/Unterlagen-zum-NSU-geschreddert/!96279/

     

    ...?

     

    Ein völliges Desaster und sicherheitspolitisch verantwortungslos! Diese linke Richterschaft, die sich doch ohnehin nur aus Ex-68ern rekrutiert, wird langsam zu einer echten Hypothek für unser Land.

  • JV
    Jan von Hollern

    Lieber ordnungshueter (05.07., 19:42):

    Solches Verhalten der Sicherheitskräfte _ist_ typisch für einen totalitären Staat...

  • J
    JoDerBaer

    An "ordnungshueter":

    Und wieder einer (leider nur einer) der langsam merkt in was für einem Staat wir mittlerweile leben.

    Die Exekutive darf Fehler machen noch und nöcher, mit oder ohne Vorsatz, es hat für die keine Konsequenzen.

    Lesen Sie mal "lawblog.de" über illegale Hausdurchsuchungen, Polizeigewalt, unfähige Beamte allerorten usw., da erwachen in Ihnen auch terroristische Gefühle.

    Wir nähern uns dem totalitären Staat, aber nach dem Kriegsende 2045 will's mal wieder keiner kommen gesehen haben...

  • H
    Hans

    Richtiges Urteil, falsche Begründung.

    Die Begründung hätte heißen müssen:

    Freispurch, weil die Auflagen an die Demonstration unrechtmäßig und völlig unverhältnismäßig waren.

     

    Schade, war mal ne Demokratie.

  • F
    fürbesserebilder

    ich verstehe ja, dass ihr coole bilder im archiv habt, die ihr auch mal zeigen wollt. aber wieso benutzt ihr für diesen artikel ausgerechnet dieses? das erweckt bei mir den eindruck, als wäre dies die demonstration gewesen, die gemeint ist. ist aber nicht so: wer in deutschland in so einem outfit auf ne demo geht wird sofort rausgezogen, denn behelmung auf demos ist seit den 80ern streng verboten und ist seitdem auch nicht mehr zu sehen.

     

     

    schreibt wenigstens drunter, wann und wo das foto entstanden ist, erst dann wirds guter journalismus.

  • O
    ordnungshueter

    ich hab damals an der demo teilgenommen, zusammen mit meiner frau und meinen jugendlichen kindern. ich bin jahrgang 52 und sicher eher buergerlich als demonstrativ. das provozierende verhalten der polizei - man wird ganz kumpelhaft geduzt, selbstverstaendlich ausgiebig abgelichtet usw. - war schon ziemlich beeindruckend. ob ich jetzt auch wutbuerger bin, weiss ich nicht, aber das hat mich dem doch deutlich naeher gebracht. stuttgart 21 war auch durchaus lehrreich. ich hab das damals zu adenauers zeiten im gemeinschaftskundeunterricht noch anders gelernt gehabt. solches verhalten der sicherheitskraefte haetten wir damals als typisch fuer eine totalitaeren staat angesehen.