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Linker Präsident in Peru vereidigtReform, nicht Revolution

Am 200. Jahrestag der Unabhängigkeit tritt in Peru der Linke Pedro Castillo sein Amt als Präsident an. Er will Reformen und eine neue Verfassung.

Der Linke mit dem Strohhut: Pedro Castillo nach seiner Vereidigung als neuer Präsident Perus Foto: Angela Ponce/reuters

Lima taz | Peru war das letzte Land Südamerikas, das 1821 seine Unabhängigkeit von Spanien erklärte. Auf den Tag genau 200 Jahre später ist es eines der letzten Länder, das einen indigenen Linken zum Präsidenten vereidigt. Während Ecuadors Indigenenbewegung Präsidenten ein- und absetzte oder Evo Morales in Bolivien einen plurinationalen Staat ausrief, hatte Peru stramm neoliberale Regierungen. Ein Indigener in Peru konnte höchstens Präsident werden, wenn er – wie Alejandro Toledo (2001-2006) – vorher noch einen Universitätstitel in den USA erworben hatte. Die Mehrheit der peruanischen Bevölkerung hat indigene Wurzeln, ist in Politik und Wirtschaft jedoch weit unterrepräsentiert.

Bis zum 28. Juli 2021.

„Wir feiern heute 200 Jahre Unabhängigkeit, aber unsere Geschichte ist 5.000 Jahre alt“. Pedro Castillo beginnt seine Antrittsrede mit einem Gruß an die indigenen Völker und einem geschichtlichen Rückblick. Er spricht darüber, wie auch in Zeiten der Republik der Rassismus und die Ungleichheit weiter herrschten. Er lässt keinen Zweifel daran, wo er sich darin verortet: „Ich bin Teil dieser verschwiegenen Geschichte Perus“.

Der Dorfschullehrer, Gewerkschafter und Bauer Pedro Castillo spricht mit fester Stimme vor dem neuen Kongress und den geladenen Gästen – darunter auch König Felipe aus Spanien. Auf dem Kopf den weißen hohen Strohhut aus seiner Heimat Cajamarca im nördlichen Hochland, ohne den er sich nie sehen lässt.

Erste Priorität: Gesundheit und Corona-Impfungen

Dass der 51-jährige Castillo nun für die nächsten fünf Jahre Peru regieren wird, ist ein kleines Wunder, mit dem Castillo selber wohl nicht gerechnet hat. Als Überraschungszweiter im ersten Wahlgang, gewann er die Stichwahl am 6. Juni hauchdünn mit 44.000 Stimmen Vorsprung vor seiner Kontrahentin Keiko Fujimori. Die focht die Wahl mit jeglichen Rechtsmitteln und in Trump-Manier so lange an, dass die Wahlbehörden Castillo erst neun Tage vor Amtsantritt offiziell zum Wahlsieger erklären konnten.

In seiner Antrittsrede gab Castillo seine politischen Prioritäten bekannt. Als erstes nannte er Gesundheit und die Weiterführung der sehr erfolgreichen Impfkampagne. Peru hat die höchste offizielle Rate an Corona-Toten weltweit. Die Pandemie hat die Schwächen des staatlichen Gesundheitsystems brutal offengelegt.

„Absolut richtig“, findet das Menschenrechtlerin Rocío Silva-Santisteban. Sie saß bis vor zwei Tagen als Abgeordnete der linken „Frente Amplio“ im peruanischen Parlament. „Wir müssen alles tun, damit die Todeszahlen bei der kommenden dritten Welle nicht wieder so stark ansteigen“.

Als Kommunist wurde Castillo von seinen Gegnern verschrieen, Peru würde ein zweites Venezuela werden und man solle ja sein Geld ins Ausland in Sicherheit bringen.

Neue Abgaben im Bergbau

Castillo, der als Kandidat einer marxistisch-leninistischen Regionalpartei ins Amt kam, versicherte nun, dass es keine Verstaatlichungen geben werde. Auch Devisenkontrollen werde er nicht einführen. Allerdings will er die Steuerhinterziehung der großen Unternehmen unterbinden und Investitionen in Zukunft auf ihre „soziale Rendite“ hin überprüfen.

Perus Wirtschaft hängt zu großen Teilen vom Bergbau ab. Gerade die Menschen in den Abbaugebieten im Hochland haben mit überwältigender Mehrheit für Castillo gestimmt – und dies, obwohl dessen Kontrahentin Keiko Fujimori im Wahlkampf versprochen hatte, die Bergbaueinnahmen direkt an die betroffenen Menschen auszubezahlen.

„Es geht den Leuten nicht nur ums Geld“, kommentiert Jaime Borda vom bergbaukritischen Netzwerk „Red Muqui“. „Es geht ihnen darum, dass sie bei Projekten mitbestimmen dürfen, dass der Staat Abmachungen auch einhält und nicht die Polizei mit Knüppeln schickt, wenn die Leute protestieren“.

Obwohl Castillo mit den Bergbaufirmen neue Abgaben aushandeln will, befürchtet Jaime Borda doch, dass die protestierenden Gemeinden nicht so viel Geduld haben. „Ich sehe keine klare Linie im Thema Bergbau, die sozialen Umweltkonflike werden weitergehen“, prophezeit Borda.

Eher Reform- als Revolutionsagenda

Castillo hatte während des Wahlkampfs immer wieder eine neue verfassunggebende Versammlung angekündigt. „Wir werden auf einer neuen Verfassung bestehen, aber nur im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten“, verkündete Castillo nun in seiner Antrittsrede. Dies bedeutet, dass er im Kongress Verbündete finden muss, um ein Referendum für ein neue Verfassung abhalten zu können. „Wir brauchen grundlegende Änderungen in unserem politischen System“ sagt Rocío Silva Santisteban. „Das geht nur mit einer neuen verfassunggebenden Versammlung“. Ob sich dafür genügend Menschen an der Basis mobilisieren lassen, bezweifelt sie jedoch.

Es ist wohl eher eine Reform- als eine Revolutionsagenda, die Castillo vorgetragen hat. Und dennoch wird er es schwer haben, sie in einem Kongress durchzubekomen, in dem er keine Mehrheit hat, dafür aber erbitterte Gegner, die nur darauf warten, ihn bald absetzen zu können.

Einen Sieg hat Castillo jetzt schon davon getragen: Dass ein einfacher Bauernsohn aus Chota, einer aus dem Volk, das Land regiert, ist in Peru bereits eine kulturelle Revolution. Dass er nicht vorhat, dieses vom ehrwürdigen Präsidentenpalast aus zu tun, war der letzte Clou seiner Rede. Der Präsidentenpalast soll in Zukunft ein Museum für alle Kulturen Perus werden.

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2 Kommentare

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  • Ein gutes Zeichen für Peru.



    Befürchte nur bei der CIA beginnen jetzt schon die Planspiele.

  • Ich drücke der neuen Regierung sooo die Daumen.

    Die haben ein mächtig dickes Brett zu bohren, nach dem Schaden durch die neoliberale Fujimori-Kleptokratie. Die wird ihn bei jeder Gelegenheit den reflexhaften, dummen Antikommunismus an den Hals hetzen, den wir auch hierzulande nur zu gut kennen.