Pfiffe zum Unabhängigkeitstag

Perus Präsident und einstiger Hoffnungsträger Alejandro Toledo ist inzwischen äußerst unbeliebt. Nach Berichten über Korruptionsskandale fordert ein breites Oppositionsbündnis seinen Rücktritt

AUS LIMA INGO MALCHER

Wahrscheinlich hätte sich Alejandro Toledo an diesem Tag lieber in seinem Präsidentenpalast eingeschlossen und alle öffentlichen Auftritte abgesagt. Doch die Verfassung zwingt Perus Präsidenten am 28. Juli, dem Unabhängigkeitstag, vor dem Parlament Rechenschaft über die vergangenen zwölf Monate abzulegen. Doch schon auf dem Weg von Limas Kathedrale zum Kongress wurde Toledo ausgebuht.

Der vor drei Jahren als Hoffnungsträger gestartete Präsident Toledo durchlebt dieser Tage den kritischsten Moment seiner politischen Laufbahn. „Es wird sich in den kommenden drei Monaten entscheiden, ob er sein Mandat zu Ende führt oder ob er vorzeitig abtritt“, sagt der linke Kongressabgeordnete Javier Diez Canseco.

Am Unabhängigkeitstag sprach Toledo denn auch betont defensiv. „Ich werde für alle meine Konten das Bankgeheimnis aufheben“, beteuerte der Präsident, den seine Gegner der Korruption verdächtigen. Auch seine Frau, sein Bruder und seine Schwester sollen von Untersuchungsausschüssen durchleuchtet werden. „Ich liebe meine Familie“, so Toledo, „aber wenn einer von ihnen in schmutzige Geschäfte verstrickt ist, dann muss das aufgeklärt werden.“ Der Applaus war sparsam. Seit einigen Tagen hat die Opposition im Parlament die Mehrheit. Es wird eng für Toledo, der es vom Schuhputzer zum Präsidenten brachte.

Seit Wochen fordert eine breite Opposition aus Parteien, Gewerkschaften und Medien Toledos Rücktritt. Das parteiübergreifende Demokratische Forum klebt in der Hauptstadt Lima Aufkleber an Telefonzellen und Straßenschilder mit dem Aufschrei: „Ich toleriere ihn nicht.“ Toledos Gegner haben eine lange Liste von Vorwürfen gesammelt: Korruption, Vetternwirtschaft und Unfähigkeit im Amt stehen an erster Stelle.

Die Anschuldigungen wiegen schwer. Erst vor wenigen Tagen wurde Toledos Anwalt und Ex-Berater, César Almeda, festgenommen. Er soll von einem kolumbianischen Brauereikonzern zwei Millionen Dollar angenommen haben, damit dieser ohne großen Aufwand eine peruanische Brauerei kaufen konnte.

Jetzt behauptet eine Zeitschrift, Almeda habe ihr gesteckt, dass Toledo dabei selbst fünf Millionen Dollar kassiert habe. Almeda und Toledo bestreiten dies. Doch auch die Konten von Toledos Frau erregen Interesse. Sie soll Weltbankgelder abgezweigt haben. Und Toledos Bruder Jorge habe mit einer Telefonfirma Scheingeschäfte betrieben, und seine Schwester soll die Fälschung von Millionen Unterschriften zur Zulassung von Toledos Partei „Peru Posible“ organisiert haben.

Vielen Vorwürfen fehlt das Fundament. Trotzdem erheben die privaten TV-Sender täglich neue Vorwürfe. Und die Zeitungen bombardieren ihre Leser mit erstaunlichen Enthüllungsgeschichten und Umfragen, bei denen Toledos Popularität im Keller ist. Dabei ist die Stimmung schlechter als die Lage. Die Wirtschaft wächst bereits im vierten Jahr mit über vier Prozent, die Währung ist stabil, die Inflation im Zaum. Zahlreiche Exmilitärs des Regimes von Alberto Fujimori sitzen in Untersuchungshaft, und dessen Mann fürs Grobe, Exgeheimdienstchef Vladimiro Montesinos, ist schon mehrfach zu Haftstrafen verurteilt worden.

Einer aber sieht seine Stunde gekommen. „Die Regierung ist moralisch am Ende“, wütet Alan García. Der Expräsident (1985–1990) wird selbst der Korruption beschuldigt, 1986 soll er zudem für ein Gefängnismassaker mit 111 Toten verantwortlich gewesen sein. Aber in der politischen Krise sucht der Populist sein Comeback. Beim Generalstreik vor zwei Wochen schoss er jedoch ein Eigentor. Vor laufenden Fernsehkameras verpasste er einem Parteigänger einen Fußtritt, weil dieser die Sicht der Fotografen auf García verdeckte.

„Diese Opposition ist ohne Konzept“, sagt der Linke Diez Canseco. Letzte Woche gründete er mit anderen Gesinnungsgenossen eine neue Partei. Mit der „Demokratischen Dezentralistischen Partei“ will er gegen Toledo und seine lautesten Gegner antreten.