Linkenpolitiker zum Wehrhahn-Urteil: „Das ist Schlamperei“
Mit dem Freispruch für Ralf S. endet die einzige Spur nach dem Bombenanschlag in Düsseldorf in einer Sackgasse. Frank Laubenburg bemängelt Polizeipannen.
taz: Herr Laubenburg, als Stadtratsmitglied der Linkspartei haben Sie die Ermittlungen zum Wehrhahn-Anschlag beobachtet, und sprechen von „Schlamperei“. Was meinen Sie damit?
Frank Laubenburg: Man wusste schon im Laufe des Abends, dass zumindest Ralf S. als Tatverdächtiger gelten müsste. Er galt als „Sheriff von Flingern“; da ist er immer mit seinem Schäferhund rumpatrouilliert und hat Leute rassistisch angepöbelt. Sein Laden war ein Treffpunkt der Neonaziszene. Es war auch bekannt, dass S. Erfahrungen mit Sprengstoff hatte. Alles deutete auf S. hin: Aber passiert ist erst mal nichts. Eine Durchsuchung seitens des Staatsschutzes gab es erst Tage nach dem Anschlag – nachdem S. durch einen „Besuch“ und eine Begehung bereits gewarnt war. Auch die Vernehmung kam erst Tage später. Das ist nicht gründlich; das ist Schlamperei.
Ist das repräsentativ für den weiteren Verlauf der Ermittlungen?
Ich würde sagen: ja. Unmittelbar nach dem Anschlag gab es keine mobile Wache am Tatort. Das Viertel ist recht migrantisch und man kann nicht davon ausgehen, dass alle die Rheinische Post lesen. Wenn ich also darauf angewiesen bin, Zeugen zu finden, brauche ich mehrsprachige Flugblätter und Polizeidienste vor Ort, die sich bei Passanten erkundigen. All das hat es entweder gar nicht oder erst verzögert gegeben. Die mobile Wache kam nach etwa einer Woche.
Wie sehen Sie die Staatsanwaltschaft?
Nach der Vernehmung von S. hat die Staatsanwaltschaft öffentlich erklärt, S. hätte ein Alibi für den Tatzeitraum. Das haben wir damals kritisiert, weil noch gar nicht feststand, wie kurz oder lang dieser Tatzeitraum eigentlich war: Man wusste ja noch gar nicht, ob die Bombe per Zeit- oder Fernzünder gezündet wurde. Mit ihrer Äußerung hat die Staatsanwaltschaft einen falschen Eindruck erweckt und eventuell verhindert, dass sich weitere Zeugen melden, im Sinne von: „Ich dachte, ich hätte was gesehen, aber er kann es ja nicht gewesen sein, also ist es nicht wichtig.“ Und das Alibi, das S. da gehabt haben soll, hat seine Freundin später auch noch zurückgenommen.
Wie kann es sein, dass so viel schiefgegangen ist?
Man hat die Hintergründe nicht wirklich ernst genommen. Kurz nach dem Anschlag hat Gerhard Schröder zwar den „Aufstand der Anständigen“ gegen rechts ausgerufen. Aber wir hatten da die Situation, dass der Anschlag auf überregionaler Ebene wie auf Bundesebene als rechtsextrem galt – in Düsseldorf selbst jedoch nicht. Die Staatsanwaltschaft hat immer wieder erklärt, es gebe keine Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund. Der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) hat Anspielungen darauf gemacht, dass die Opfer Kontingentflüchtlinge aus der Sowjetunion seien und vielleicht alte Rechnungen nicht gezahlt hätten. Also die klassische NSU-Nummer, man müsse mal bei den Opfern gucken, ob die nicht selbst schuld sind.
51, ist Mitglied der Linken. Er war bis 2014 im Stadtrat Düsseldorf.
Würden Sie sagen, man hat inzwischen aus den Fehlern gelernt?
Das ist nicht mein Eindruck. Allein die Anzahl von Anschlägen auf Flüchtlingsheime, beispielsweise, bei der erzählt wird, ein rechtsextremer Hintergrund sei nicht erkennbar. Einer Münchner Familie hat man ein Hakenkreuz aufs Auto gemalt – da hieß es, ein rechtsextremer Hintergrund sei ausgeschlossen. Dass eindeutig rechtsextreme Straftaten als solche nicht wahrgenommen werden, ist immer noch häufig.
Haben Sie mitbekommen, welche Rolle der Verfassungsschutz zu der damaligen Zeit gespielt hat?
Nein, aber interessieren würde es mich sehr, denn das ist sehr dubios. Es gab V-Leute im Umfeld von Ralf S. und das hat im Prozess kaum eine Rolle gespielt. Das müsste eigentlich noch mal aufgeklärt werden: Wer war da, warum waren sie da? War es so, dass Polizei und Staatsschutz über diese V-Leute gar nicht informiert waren, beziehungsweise wann wurden sie informiert? Die Rolle, die der Verfassungsschutz hier gespielt hat, ist nach wie vor nebulös. Das ist etwas, dass so ein Prozess um individuelle Täterschaft gar nicht aufklären kann. So etwas klärt dann eher ein Untersuchungsausschuss.
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