Linken-Politikerin über Programmdebatte: "Mehr Staat ist nicht automatisch links"

Die Linkspartei-Politikerin Ulla Lötzer kritisiert, dass der Entwurf für das Parteiprogramm zu sehr auf Verstaatlichung setzt. Ihre Alternative: mehr demokratische Kontrolle von Unternehmen

"Mischformen beim Eigentum sind wichtig". Bild: dpa

taz: Frau Lötzer, es soll, laut Grundsatzprogramm der Linken, keine Privatbanken geben. Ist das nicht zu eng?

Ulla Lötzer: Nein, die Finanzkrise hat gezeigt, wie gefährlich die nicht regulierte private Finanzindustrie für die gesamte Wirtschaft ist. Staatliche Großbanken können eine sinnvolle Alternative sein.

Ist das nicht DDR light?

Nein, es soll ja auch Genossenschaftsbanken geben, die in Privatbesitz sein können. Und Sparkassen in kommunalem Besitz. Wir wollen mehrere Formen.

Die Linkspartei will auch "strukturbestimmende Großbetriebe in gesellschaftliches Eigentum überführen". Ist da nicht zu viel Staat?

Da gibt darüber eine intensive Debatte. Ich bin nicht der Meinung, dass viel Staat gleich links ist. Wir müssen den Shareholder-Value-Wahnsinn, die Privatisierung von Daseinsvorsorge, die ökologische Krise, das Treiben von Konzernen in der Dritten Welt ändern sowie soziale und ökologische Belange stärken.

Ulla Lötzer, 60, ist Sprecherin der Linksfraktion für Globalisierung. Sie kommt aus NRW und zählt zur gewerkschaftsnahen "Sozialistischen Linken".

Und wie?

Darauf gibt es eben nicht nur eine Antwort. Mischformen beim Eigentum sind wichtig. Das gibt es bereits: etwa bei VW. Außerdem ist es sinnvoll, Unternehmen auf Sozial- und Ökobilanzen zu verpflichten. Wir brauchen mehr Demokratie in der Wirtschaft im Betrieb und darüber hinaus, etwa über Branchenräte, in denen auch Gewerkschaften und Umweltverbände beteiligt sind, die strukturpolitische Entscheidungen treffen.

Also mehr Kontrolle, aber nicht mehr Staatseigentum?

Ja. Von den vier großen Energiekonzerne sind zwei, Vattenfall und EnBW, größtenteils in Staatsbesitz. Und die unterscheiden sich in ihrer Praxis nicht von privaten Konzernen. Das zeigt, dass staatliches Eigentum nicht automatisch besser ist.

Sondern?

Bei der Energie gehören die Netze natürlich in öffentliche Hand. Bei der Energieerzeugung sind mehr dezentrale Strukturen der richtige Weg - zentralistische Konzerne, egal ob privat oder staatlich, der falsche.

In NRW will die Linkspartei Eon und RWE verstaatlichen. Ist das machbar?

Ich war gegen diese Forderung - und im Dringlichkeitsprogramm ist sie auch abgeschwächt. Machbar ist allerdings eine Kommunalisierung. Es gibt ja Kommunen, die Teile des Netzes von Eon gekauft haben.

Was muss sich an dem Programm der Linken ändern?

Die Wirtschaftsdemokratie kommt zu kurz. Anstatt ideologisch starr auf Staatseigentum an Großbetrieben fixiert zu sein, müssen wir mehr Fantasie für Mischformen entwickeln. Und genauer beschreiben, was geht.

Zum Beispiel?

Etwa Belegschaftsbeteiligungen an Unternehmen. Aber man muss erklären, warum dieses Modell in Schweden gescheitert ist und es weiterentwickeln. Es gibt außerdem Beispiele demokratischer Kontrolle, von denen wir lernen können. In Porto Alegre gibt es im Rahmen der Bürgerhaushalte Gruppen, die Betriebe demokratisch kontrollieren. So ist es gelungen, einem global agierenden Konzern Auflagen zu machen, zum Beispiel einen Anteil von Indigenen einzustellen und einen Teil des Gewinns in Bildung zu investieren. Das ist in einem Schwellenland möglich. Warum nicht bei uns?

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