Linken-Chef Klaus Ernst über Wahlziele: "Die Linkspartei wackelt nicht"
Nur das entschlossene Nein zu Hartz IV, der Rente mit 67 und dem Afghanistankrieg garantiert den Erfolg der Linken, sagt Parteichef Klaus Ernst. Bewegungsunfähig sei seine Partei nicht.
taz: Herr Ernst, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow sagen, dass die Führung der Linkspartei blockiert ist. Stimmt das?
Klaus Ernst: Nein.
Das Argument lautet: Die Partei ist komplett quotiert: nach Strömungen, Mann-Frau, Ost-West - und bewegungsunfähig.
Klaus Ernst (56) leitet mit Gesine Lötzsch die Linkspartei. Er stammt aus München, war lange IG-Metall-Funktionär in Schweinfurt. 2004 verließ er aus Protest gegen die Agenda 2010 die SPD und war Mitbegründer der WASG, die mit der PDS zur Linkspartei fusionierte. Im Frühjahr wurde er Nachfolger von Oskar Lafontaine an der Spitze der Linkspartei.
Quatsch. Wir haben ein gemeinsames Strategiepapier erarbeitet, wir haben einen erfolgreichen Programmkonvent hinter uns. Wir setzen vier Schwerpunkte. Verteilungsgerechtigkeit, einen gerechten und effizienten Sozialstaat, Demokratie und Frieden. Wir sind die einzige Partei, die nie für Hartz IV, die Rente mit 67 und den Afghanistankrieg gestimmt hat.
Neu ist das aber nicht.
Wir bleiben bei unseren Kernthemen. Wir wackeln da nicht, nur weil rechnerisch Koalitionen möglich wären. Damit haben wir Erfolg gehabt, so machen wir weiter. Auch deswegen haben wir eine stabile Wählerschaft.
Nur 20 Prozent können sich überhaupt vorstellen, je Linkspartei zu wählen. Wollen Sie das nicht ändern?
Vorsicht. Die Grünen haben diese guten Umfragewerte, weil sie nach allen Seiten offen sind. Sie sind beliebig. Die Grünen haben bei Hartz IV, der Rente mit 67 und dem Afghanistankrieg gewackelt wie ein Kuhschwanz. Wir nicht.
Also bleibt die Linkspartei für das Gros unwählbar?
Dass sich 20 Prozent vorstellen können, eine Partei links von der SPD zu wählen, ist doch beachtlich. Damit hätte 2005 niemand gerechnet. Wir zeigen eben klare Kante. Wir sind für die Regulierung der Finanzmärkte, für mehr Demokratie auch im Betrieb, für andere Eigentumsverhältnisse. Es gibt eben Menschen, die noch Zeit brauchen, um sich damit anzufreunden.
Reicht es, den Kurs bloß beizubehalten?
Wir sind in 13 Landtagen, wir haben 6.000 Kommunalpolitiker. Die Linkspartei ist ein Erfolgsmodell.
Im Westen ist die Partei instabil. In Baden-Württemberg ist der Einzug in den Landtag unsicher, in Rheinland-Pfalz, mit einem chaotischen Landesverband, sowieso.
In Rheinland-Pfalz hat sich der Landesverband geeinigt. Der Landesverband in Baden-Württemberg ist top aufgestellt. Auch bei Stuttgart 21 wird unsere Stimme mittlerweile gehört.
2011 gibt es sieben Landtagswahlen. Welche ist wichtig?
Die sind alle wichtig.
Welche Ziele hat die Linke?
In Hamburg das Ergebnis halten, in Stuttgart und Mainz ins Parlament kommen, in Sachen-Anhalt stärkste Partei werden.
In Bremen und Hannover sind Funktionäre zur SPD übergetreten, unter anderem weil sie nicht mehr als Rechtsabweichler diffamiert werden wollen. Macht Ihnen das Sorgen?
Es sorgt mich immer, wenn uns jemand verlässt. Das ist nicht schön, hält sich aber in Grenzen. Solche Übertritte sind bei jungen Parteien normal.
Zeigt das nicht, dass es in der Partei zwei Konzepte gibt - hier ein linker Pragmatismus, dort Opposition für immer?
Diesen Konflikt gibt es nicht. Niemand sagt: Wir bleiben prinzipiell in der Opposition. Selbstverständlich wollen wir regieren.
Die rot-rot-grüne Regierung, die auch Sahra Wagenknecht will, möchte ich sehen.
In der letzten Legislatur haben wir Kurt Beck angeboten, ihn zum Kanzler zu wählen - wenn er einen Mindestlohn einführt, die Rente mit 65, Hartz IV abschafft und die Bundeswehr aus Afghanistan abzieht. Das hat auch Sahra Wagenknecht unterstützt. Das Angebot war ernst gemeint. Wir werden nicht, nur um zu regieren, unsere Inhalte aufgeben.
Das Verhältnis zur SPD ist noch immer ziemlich verspannt. Was tun Sie, um es zu verbessern?
Das Verhältnis wird sich erst verbessern, wenn die SPD ihre Vergangenheit aufarbeitet.
Die Frage war, was die Linkspartei tut, um das Verhältnis zur SPD zu entkrampfen.
Wir reden mit Sozialdemokraten. Und es gibt manche, die vieles genauso sehen wie wir.
Die SPD hat unter Gabriel Teile der Agenda-Politik revidiert. Trotzdem attackiert die Linkspartei die SPD. Warum?
Gabriel bezieht nur halbherzig Position. Und sogar das ist in der SPD umstritten. Das Sagen haben noch immer die Hardliner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen