Wolfgang Zimmermann über die NRW-Linke: "Wir sind nicht bescheiden"
Trotz Kritik will die Linkspartei den rot-grünen Nachtragshaushalt im Landtag von NRW passieren lassen, weil kein Sozialabbau geplant ist. Als Mehrheitsbeschaffer sehen sie sich aber nicht.
taz: Herr Zimmermann, die Linke hat am Sonntag beschlossen, per Enthaltung den Nachtragshaushalt der rot-grünen Minderheitsregierung passieren zu lassen. Haben Sie solch große Angst vor Neuwahlen?
Wolfgang Zimmermann: Wir haben keine Angst vor Neuwahlen. Anders als die FDP sehen uns die aktuellen Umfragen allesamt über fünf Prozent. Wenn Neuwahlen nötig sind, dann gibt es sie eben. Aber wir streben sie auch nicht an. Denn dadurch könnte die Politik- und Parteienverdrossenheit weiter zunehmen. Außerdem wären damit immense Kosten für das Land verbunden.
Sie werfen Rot-Grün vor, "nur hauchzarte Korrekturen an der neoliberalen Kahlschlagpolitik von CDU und FDP" zu unternehmen. Trotzdem wollen Sie den Haushalt nicht ablehnen. Sind Sie so bescheiden geworden?
Wir sind überhaupt nicht bescheiden geworden. Wir sind im Parlament weiterhin die Stimme für die abhängig Beschäftigten, die Erwerbslosen, die Studierenden und für alle Menschen, die unter diesem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem leiden. Nur haben wir hier eine Situation, in der eine Minderheitsregierung amtiert, die momentan zumindest keinen Sozialabbau, keinen Stellenabbau im öffentlichen Dienst und keine Privatisierungspolitik betreibt. Das sind die roten Linien, die für uns nicht überschritten werden dürfen. Allerdings dringen wir weiter auf Nachbesserungen.
Das heißt konkret?
Die drei wichtigsten Forderungen sind für uns die Abschaffung der Studiengebühren schon im Sommersemester 2011, die Neueinstellung von mindestens 200 Betriebs- und Steuerprüfern sowie zusätzliche finanzielle Zuweisungen von 341 Millionen Euro an die Kommunen zulasten der von SPD und Grünen eingeplanten 1,3 Milliarden Euro Garantiesumme für die WestLB.
Missstände im Haushalt zu beklagen, ihn aber durchzuwinken: Ist das konsequent?
Ich halte das absolut nicht für inkonsequent. Wir erkennen an, dass SPD und Grüne einige Schritte in die richtige Richtung unternehmen. Diese stellen zwar noch keinen grundlegenden Politikwechsel dar. Aber ich glaube nicht, dass es vermittelbar wäre, wenn wir nur deshalb diesen Nachtragshaushalt durchfallen lassen würden.
Der neue FDP-Landesvorsitzende Daniel Bahr wirft Ihnen vor, im Zweifel sei die Linkspartei "die stille Reserve der rot-grünen Minderheit". Der Verdacht drängt sich auf, oder?
Wir beweisen doch Tag für Tag, dass wir keine reinen Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün sind. Zum einen machen wir permanent durch unsere eigenen Anträge und Gesetzesinitiativen unsere weitergehenden Positionen deutlich. Zum anderen stimmen wir Anträgen anderer Fraktionen immer dann zu, wenn wir sie inhaltlich für richtig halten. Sie können von SPD und Grünen kommen, aber ebenso von CDU oder FDP.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett