piwik no script img

Linke kämpft um StammwählerGenossen an die Stammtische

Die Linke müsse um ihre zur AfD abgewanderten Wähler kämpfen, fordert Fraktionsvize Jan Korte. Er plädiert für eine einfachere Ansprache.

Bodo Ramelow sucht die Nähe zur Arbeiterklasse Foto: dpa

Berlin taz | Die Linkspartei soll alltagstauglicher und stammtischfähiger werden, fordert der Vizefraktionsvorsitzende der Partei im Bundestag, Jan Korte. In einem Diskussionspapier geht Korte der Frage nach, wie man ehemalige Wähler*innen, die zur AfD abwanderten, sowie Nichtwähler*innen zur Linkspartei holt. Seine Antwort: Die Linke dürfe sie „nicht einfach abschreiben, sie gar verachten, sondern [wir] müssen darum kämpfen, sie zurückzugewinnen“.

Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt hatte die Linkspartei herbe Einbrüche hinnehmen müssen und Zehntausende Wähler*innen an die AfD verloren. Die AfD ist überdurchschnittlich erfolgreich bei Arbeitern und einfach Gebildeten.

Die Linke habe ihre Rolle als Repräsentantin von Teilen der unteren Mittelschicht und der gesellschaftlich Abgehängten teilweise verloren, analysiert Korte. „Das hat viel mit der Art und Weise zu tun, wie wir Politik machen und wie wir sprechen. Es hat etwas damit zu tun, an Alltagstauglichkeit und Stammtischfähigkeit eingebüßt zu haben“, schreibt er. Er fordert seine Partei auf, sich stärker der Lebensrealität der Menschen zuzuwenden: „weniger abstrakt, sondern eine Stimme sein, die eine Peilung von der Lebensrealität hat“.

Als Beispiel führt Korte die Paketbot*in an. „Die Linke sollte die Partei sein, die die Zusteller*innen kennt und ihre Arbeit thematisiert.“ Dabei warnt er vor „Arbeitertümelei“ und einem „Zurück zur Nation“ – wie es zuweilen bei Fraktionschefin Sahra Wagenknecht anklingt.

Menschen zusammenbringen

Nun hat die Linkspartei zwar Stimmen in Arbeitermilieus verloren, und zwar auch wegen ihrer flüchtlingsfreundlichen Haltung, aber bei jungen Akademiker*innen zugelegt, die sich oft in solchen Projekten engagieren.

Wie aber bringt man die Studentin mit dem „Refugees welcome“-Button mit dem Supermarktkassierer zusammen? „Ich bin dafür, dass wir hier den Spagat wagen“, sagt Korte der taz. In seinem Papier plädiert er dafür, „das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. […] Es ist daher eben anzuerkennen, dass wir Menschen vertreten, die im Alltag nicht zusammenkommen.“

Bei den Landtagswahlen hat die Linke Zehntausende an die AfD verloren

Keine leichte Aufgabe für eine Partei, die gerade in den ostdeutschen Flächenländern mehr Mitglieder an die Bestattungsinstitute abgibt, als sie dazugewinnt. Korte schlägt zielgenaue Ansprachen vor – „Vielleicht brauchen wir in Zukunft keine tausendseitigen Landtagswahlprogramme“ – und eine Politik, „die die kleinen Träume der Menschen in den Mittelpunkt stellt“.

Kortes Papier ist ein Beitrag zur derzeitigen Debatte in der Linkspartei über die inhaltliche und strategische Ausrichtung. Diese befindet sich in einer vorgezogenen Midlifecrisis und sucht nach einer Strategie für die Bundestagswahl 2017. Während die Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping sich ein klares Bekenntnis zu einem möglichen rot-rot-grünen Regierungsbündnis wünschen, betonen die Fraktionsvorsitzenden Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Notwendigkeit eines eigenständigen Wahlkampfes.

Riexinger bekräftigte am Montag erneut den Wunsch nach einer gemeinsamen Bundespräsidentenkandidat*in als Signal für einen Politikwechsel. Wer sich durchsetzt, ist offen. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn hatte ein Strategiepapier präsentiert, das im Parteivorstand durchgefallen war, es fokussiert zu stark auf Rot-Rot-Grün.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich plädiere für eine klare Abgrenzung zu Rassisten!

  • Immerhin denkt wenigstens ab und zu jemand von den Linken an die einkommenschwachen Bevölkerungsschichten (früher "Arbeiterklasse"), auch wenn evtl. die akademischen Wohlfühllinken dominieren. Bei den Grünen, die jetzt den Zeigefinger heben und Populismusvorwürfe erheben, ist die soziale Frage doch schon längst unter den Teppich gekehrt worden.

  • Und äh, ist die Sprache der Wagenknecht nicht schon einfach genug?

    • @nzuli sana:

      Deutsch war doch noch nie eine "einfache" Sprache.

  • Es kann sein dass Korte irrt und es durchaus in den meisten Milieus verstanden wird, was links sein soll. Aber genau das wird womöglich abgelehnt, weil sich die manuellen Arbeiter mit Leistung und Strafen identifizieren. Ein echtes Problem.

  • Wenn ich mich so rumfrage kommt die Linke vor allem als elitäre Sonderpartei für reiche Wohlfühllinke unter. Ich weiss das die Linke durchaus Wahlkampf für die kleineren Leute der Bevölkerung macht, was durchkommt ist:

    Politik für Flüchtlinge, Politik für Minderheitenprobleme (LGBTQ*), Sprache durchgendern!

    Das sind alles Heere Ziele, hilft nur alles nicht wenn es hier mitlerweile um pure Armutsbekäümpfung und teilhabe am Reichtum Deutschlands geht. Ich selbst verdiene nicht schlecht, da ich krank bin weiss ich aber genau, in 10 Jahren werd ich bettelarm sein, und da hilft mir dann schlichtweg kein Schwein weiter außer der eigenen Familie, wenn überhaupt. Ich sehe jeden Abend Renterinnenhorden in den Kaufhäusern nachfüllen, die Tafeln sind voll, und dann hat man trotzdem irgendwie noch Geld für den Rest der Welt.

    So kommt das ganze rüber! Und das ist ein Problem!

  • @TOM FARMER

    Vor ein paar Tagen schrieb hier noch einer der zahllosen selbsternannten "Kenner" der Linken: "Die Linke ist seit dem ersten Tag populistisch ohne Ende." Das war mir einigermaßen neu, denn in meiner Erinnerung wurde den Linken früher immer vorzugsweise vorgehalten, sie seien zu "elitär", oder zu "ideologisch", wenn man sich inhaltlich erst gar nicht mit ihnen auseinandersetzen wollte. Wie zur Bestätigung wird von Ihnen hier wieder das Märchen von den "verkopften Linken" aufgetischt. Offenbar sind alle, die nicht dieselbe Menge Luft zwischen den Ohren haben, schon hoffnungslos "verkopft". Und die taz? Die "glänzt" hier mit "Bodo Ramelow sucht die Nähe zur Arbeiterklasse" schon gleich bei der Bildunterschrift. Ein Blick in die Vita von Ramelow hätte genügt, um zu wissen, dass der Mann nicht immer Ministerpräsident von Thüringen war, sondern als kleiner Karstadt-Angestellter gestartet ist. Wer sich ein realistisches Bild von den Linken machen will, dem empfehle ich, mal bei einem der öffentlichen Treffen der Stadtteil- oder Ortsgruppen reinzuschauen. Falls dort jemand einen "Wohlstandslinkenfunktionär" finden sollte, kann er ihn gerne behalten.

    • @Rainer B.:

      Hab ich mit der Ortsgruppen, damals noch mit Herrn Riexinger. Solange da noch in der Kategorie Arbeigeber=Kapital und Arbeiter=Ausgebeuteter geredet wird bleibe ich Wechselwähler. Zumal hier in Südwestt beim Daimler, Bosch usw. mit lebenslanger Lowperformer Akzeptanz bei vollem Lohnausgleich?

       

      Ansonsten sprach ich von dem Führungspersonal.

      Ich erinnere an den Parteitag im Winter als Sahra mit ner Torte beworfen wurde: O-Ton: "total geschockt... und vom Fahrer zurück ins Hotel gebracht um sich umzuziehen" Versace nehme ich an das Kostümchen...

      Neue, linke Politik, das geht anders!!

      • @Tom Farmer:

        Wer Politik und Politiker an Oberflächlichkeiten wie Kleidung festmachen will, war schon damals bei den Grünen besser aufgehoben.

        Und ja, es gibt sie nach wie vor und mehr denn je, die Klassengesellschaft, auch wenn nicht jeder Arbeitgeber ein Ausbeuter und nicht jeder Arbeitnehmer ein Sklave ist, aber das stellt hier doch letztlich immer nur ein sehr eingeschränktes, sehr verletzbares und sehr vorübergehendes Erfolgsergebnis wirklich linker Politik dar, wobei es in einem "demokratischen, sozialen Rechtsstaat" eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Davon kann aber ja wohl hier und heute immer noch gar keine Rede sein.

        • @Rainer B.:

          Bin bei Ihnen betreff der Ziele.

          Jetzt sollten sich alle einig werden über das wie!

          Und da höre ich nichts von den Linken was mich überzeugt!

          • @Tom Farmer:

            Was wäre denn so etwas, dass Sie überzeugen könnte?

  • Da hat er wohl recht!

    Die verkopften Linken streiten herzlich bzw. detailversessen um den 100 % richtigen Weg und die eigentlich Betroffenen (Arbeiter) wollen diesen intellektuellen Ansatz nicht teilen.

    Ein Verzicht auch mal nicht ganz recht zu haben würde helfen, ist aber bei den führenden Wohlstandslinkenfunktionären (hier jetzt ohne Namensnennung, da eigentlich alle) schwierig.

    • @Tom Farmer:

      exakt! Genauso kommt die Linke rüber. Liegt auch daran, das die ganze oben vertretene Riege nicht mal ansatzweise auch nur weiss, was die realen Probleme der Menschen da draußen sind. Man selbst ist ja versorgt!