Linke kämpft um Stammwähler: Genossen an die Stammtische
Die Linke müsse um ihre zur AfD abgewanderten Wähler kämpfen, fordert Fraktionsvize Jan Korte. Er plädiert für eine einfachere Ansprache.
Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt hatte die Linkspartei herbe Einbrüche hinnehmen müssen und Zehntausende Wähler*innen an die AfD verloren. Die AfD ist überdurchschnittlich erfolgreich bei Arbeitern und einfach Gebildeten.
Die Linke habe ihre Rolle als Repräsentantin von Teilen der unteren Mittelschicht und der gesellschaftlich Abgehängten teilweise verloren, analysiert Korte. „Das hat viel mit der Art und Weise zu tun, wie wir Politik machen und wie wir sprechen. Es hat etwas damit zu tun, an Alltagstauglichkeit und Stammtischfähigkeit eingebüßt zu haben“, schreibt er. Er fordert seine Partei auf, sich stärker der Lebensrealität der Menschen zuzuwenden: „weniger abstrakt, sondern eine Stimme sein, die eine Peilung von der Lebensrealität hat“.
Als Beispiel führt Korte die Paketbot*in an. „Die Linke sollte die Partei sein, die die Zusteller*innen kennt und ihre Arbeit thematisiert.“ Dabei warnt er vor „Arbeitertümelei“ und einem „Zurück zur Nation“ – wie es zuweilen bei Fraktionschefin Sahra Wagenknecht anklingt.
Menschen zusammenbringen
Nun hat die Linkspartei zwar Stimmen in Arbeitermilieus verloren, und zwar auch wegen ihrer flüchtlingsfreundlichen Haltung, aber bei jungen Akademiker*innen zugelegt, die sich oft in solchen Projekten engagieren.
Wie aber bringt man die Studentin mit dem „Refugees welcome“-Button mit dem Supermarktkassierer zusammen? „Ich bin dafür, dass wir hier den Spagat wagen“, sagt Korte der taz. In seinem Papier plädiert er dafür, „das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. […] Es ist daher eben anzuerkennen, dass wir Menschen vertreten, die im Alltag nicht zusammenkommen.“
Keine leichte Aufgabe für eine Partei, die gerade in den ostdeutschen Flächenländern mehr Mitglieder an die Bestattungsinstitute abgibt, als sie dazugewinnt. Korte schlägt zielgenaue Ansprachen vor – „Vielleicht brauchen wir in Zukunft keine tausendseitigen Landtagswahlprogramme“ – und eine Politik, „die die kleinen Träume der Menschen in den Mittelpunkt stellt“.
Kortes Papier ist ein Beitrag zur derzeitigen Debatte in der Linkspartei über die inhaltliche und strategische Ausrichtung. Diese befindet sich in einer vorgezogenen Midlifecrisis und sucht nach einer Strategie für die Bundestagswahl 2017. Während die Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping sich ein klares Bekenntnis zu einem möglichen rot-rot-grünen Regierungsbündnis wünschen, betonen die Fraktionsvorsitzenden Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Notwendigkeit eines eigenständigen Wahlkampfes.
Riexinger bekräftigte am Montag erneut den Wunsch nach einer gemeinsamen Bundespräsidentenkandidat*in als Signal für einen Politikwechsel. Wer sich durchsetzt, ist offen. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn hatte ein Strategiepapier präsentiert, das im Parteivorstand durchgefallen war, es fokussiert zu stark auf Rot-Rot-Grün.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid