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Linke in Baden-WürttembergJung, weiblich, Sozialopposition

Kim-Sophie Bohnen, Amelie Vollmer und Mersedeh Ghazaei wollen die Linke in Baden-Württemberg in den Landtag führen. Es wäre eine Premiere.

Auf Platz eins der Landesliste gesetzt: Kim Sophie Bohnen, Linke Foto: Marijan Murat/dpa

Jung, weiblich und zum ersten Mal mit einer echten Option in den Landtag einzuziehen: So präsentiert sich das neue Spitzenkandidatinnen-Trio der Linkspartei in Baden-Württemberg: Kim Sophie Bohnen, Amelie Vollmer, und Mersedeh Ghazaei, führen die Linke auf den ersten drei Spitzenplätzen in den Landtagswahlkampf. Eine „Sozialopposition“ wolle man sein, sagte Bohnen, auf Listenplatz 1 gesetzt, am Wochenende in ihrer Rede beim Parteitag in Leinfelden-Echterdingen. „Wir gehen da rein, um zu bleiben“, sekundierte Ghazaei.

Zum ersten Mal hat die Linkspartei eine echte Chance in den Landtag zu kommen. Seit der Trennung von der BSW-Gruppe um Sahra Wagenknecht und dem Erfolg bei der Bundestagswahl, haben sich die Mitgliederzahlen im Südwesten auf über 10.000 verdreifacht. Das ist mehr als die FDP in ihrem Stammland vorweisen kann.

In Umfragen liegt die Partei im Moment bei sieben Prozent. Die wachsende Zustimmung speist sich aus enttäuschten Erst- und Grünen-Wählern in den Studentenstädten Heidelberg, Freiburg, Tübingen. Inzwischen sind mehr als die Hälfte der Mitglieder unter 30.

So auch die drei Spitzenkandidatinnen. Amelie Vollmer, 22, aus Offenburg, ist die Erfahrenste. Sie kandidierte bereits vor fünf Jahren für den Landtag, als jüngste Kandidatin auf einer Liste. Ihre Heimatzeitung attestierte ihr jüngst, ihre „Klassenkampf-Rhetorik sei gefährlicher Unsinn“, was sie süffisant auf Instagram kommentierte.

Mersedeh Ghazaei, 28, die Älteste im Trio, ist am kürzesten in der Politik. Politische Erfahrungen hat die studierte Anglistin bei der Gründung der „Migrantifa“ in Stuttgart gesammelt. Kim Sophie Bohnen, 26, die gelernte Bankkauffrau und studierte Politikwissenschafftlerin, nennt als Schlüsselmoment ihrer Politisierung eine weinende Rentnerin am Bankschalter.

Mit dem Trio und dem am Wochenende verabschiedeten Wahlprogramm setzt die Linkspartei in Baden-Württemberg vor allem die Grünen unter Druck. Etwa wenn sie fordert, was Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Leute in der Koalition mit der CDU nicht erreichen konnten: Klimaneutralität im Land bis 2035 zum Beispiel.

Die wachsende Zustimmung speist sich aus enttäuschten Erst- und Grünen-Wählern in den Studentenstädten Heidelberg, Freiburg, Tübingen

„Im Gespräch an den Haustüren aufgegeben“

Doch Schwerpunkt des Wahlkampfs soll die Sozialpolitik sein. Vor allem das Wohnen: „Das haben uns die Leute im Gespräch an den Haustüren aufgegeben“, sagt Bohnen. Mit Stuttgart, Freiburg, Heidelberg liegen gleich drei der zehn teuersten deutschen Städte im Südwesten. Die strukturelle Krise der Automobilindustrie schlägt inzwischen auch auf den Südwesten durch. Einst sicher geglaubte Arbeitsplätze bei Daimler werden im großen Stil abgebaut.

Die Linkspartei reagiert auf die Krise mit einem Opositionswahlprogramm, das keiner seriösen Gegenrechnung standzuhalten braucht: Anstelle eines Rüstungssondervermögens steht im Wahlprogramm eins für Bildung in Höhe von 100 Milliarden Euro. Weitere 100 Milliarden will die Linke von Staatsseite allein auf Landesebene in Klimaschutz und Infrastruktur investieren. Die eigentlich klammen Kommunen sollen den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen und die Energieversorgung wieder übernehmen.

Der Aufschwung der Linken bei den Wählern im Südwesten, das könnte am Ende dem grünen Spitzenkandidaten Cem Özdemir die Option aufs Regieren verhageln. Die Grünen liegen derzeit 10 Prozent hinter der CDU. In der letzten Umfrage wurden sie von der AfD überholt.

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