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Linke Traditionen in BerlinSilvio-Meier-Demo lebt wieder auf

Ein Antifa-Bündnis ruft zu einer Demo am Samstag durch Neukölln auf – und verbindet das Gedenken mit der Forderung nach Aufklärung der Terrorserie.

Waren immer ziemlich dynamische Proteste: Silvio-Meier-Demo 2017 Foto: dpa

Berlin taz | Im Jahr 2018 fand sich erstmals keine Antifagruppe in Berlin, die die traditionsreiche Silvio-Meier-Demonstration organisieren konnte oder wollte. Der Hausbesetzer Silvio Meier war am 21. November 1992 von Neonazis im Friedrichshainer U-Bahnhof Samariterstraße ermordet worden; der Protest erinnerte an ihn. In diesem Jahr ruft das Antifabündnis „Fight Back! – Rechten Terror bekämpfen!“ zu einer Demo am Samstag um 18 Uhr durch Südneukölln auf. Es geht um einen aktuellen Bezug zur rechten Anschlagsserie in dem Kiez – und um das Gedenken an den Hausbesetzer.

„Wir versuchen nicht, die Tradition der Silvio-Meier-Demo fortzuführen, sondern an ihr anzuknüpfen, um das Loch zu füllen, welches diese hinterlassen hat“, erklärt die Sprecher:in des Bündnisses „Fight Back!“, Dana Schwarz, auf taz-Anfrage.

Fünfundzwanzig Jahre lang erinnerten Antifaschist:innen an Silvio Meier. Das Gedenken begann als offensive Antifademonstration gegen rechte Umtriebe und Strukturen. Bereits am Tag nach der Ermordung zogen Antifaschist:innen zu einem Jugendclub in Lichtenberg, in dem der Täter ein- und ausging, und griffen diesen an. Den Höhepunkt erreichten die Silvio-Meier-Demonstrationen in den Jahren 2012 und 2013 mit einer Teilnehmer:innenzahl von rund 5.000 Antifaschist:innen. In den folgenden Jahren sank diese jedoch kontinuierlich.

Neuköllner Terrorserie

Die Generalstaatsanwaltschaft führt die – bisher erfolglosen – Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie. Erklärungsbedürftig ist etwa ein mutmaßliches Treffen eines LKA-Beamten mit dem hauptverdächtigen Neonazi Sebastian T. in einer rechten Szenekneipe. Der Verfassungsschutz soll dies bei einer Observation von T. beobachtet haben. Zuletzt hatten Ermittler von einer Verwechslung gesprochen. Der Senat hält dies laut einer unveröffentlichten parlamentarischen Anfrage der Linken für möglich: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass es in Ausnahmefällen bei widrigen Wetter- und Lichtverhältnissen zu Verwechslungen bei Observationen kommen kann.“ (gjo)

Zudem war Kritik in der radikalen Linken laut geworden, die Tradition verkomme zum jährlichen Spektakel für die eigene Szene, anstatt rechte Strukturen in Berlin zu thematisieren. Im Jahr 2018 fiel die Demo aus. Damals sagte ein Sprecher der Gruppe Radikale Linke Berlin der taz: „Wir hätten die Demoor­ganisation gern an eine jüngere Generation weitergegeben.“ Und 2019 veranstaltete Hauke Stiewe von der Bergpartei eine Demonstration unter dem Motto „Antifa ist Liebe“, die aber nicht an die kämpferische Silvio-Meier-Demo anschließen konnte.

Denn diese sei immer geprägt gewesen „von selbstsicherem und starkem Auftreten, sowohl gegenüber den Nazis als auch der Polizei“, berichtet Dana Schwarz. Der Protest habe eine große Bedeutung gehabt als Anlaufpunkt für unorganisierte Menschen und Jugendliche. „Aktuell scheinen auf jeden Fall sehr viele neue Jugendgruppen zu entstehen, was eine schöne Entwicklung ist“, so Schwarz weiter. Die aktuelle Demonstrationsroute führt nun auch wieder an Treffpunkten von Rechten vorbei.

Gedenken um 16 Uhr

Blumen für Silvio Meier: Gedenkort im Bahnhof Samariterstraße Foto: dpa

Vor der Demonstration findet wie gewohnt um 16 Uhr die Mahnwache am U-Bahnhof Samariterstraße statt. Die Demonstration „Fight Back!“ startet in Südneukölln am Gedenk­ort für Burak Bektaş, der 2012 im Alter von 22 Jahren von einem mutmaßlich rechtsextremen Täter erschossen wurde, und führt zum U-Bahnhof Rudow. Laut Polizeiangaben sind 300 Teilnehmer:innen für die Demonstration angemeldet.

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