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Linke-Politiker Gallert über Lafontaine„Ich lasse mich nicht unterbuttern“

Oskar Lafontaine habe eine patriarchale Vorstellung von der Partei, kritisiert der Fraktionschef der Linken in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert. Er wünsche sich mehr inhaltliche Arbeit.

Fühlt sich kaiserlich an: Napoleon als Lafontaine beim Rosenmontag. Bild: dapd
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Gallert, Oskar Lafontaine will Parteichef werden, wenn es keine Konkurrenzkandidatur gibt. Was halten Sie davon?

Wulf Gallert: Ich habe damit zwei Probleme. Wer Parteivorsitzender werden will, von dem verlange ich eine Analyse unserer Situation. Wir haben in zwei Jahren die Hälfte unserer Wähler und sogar noch mehr Zustimmung in der Bevölkerung verloren. Welche strukturellen Ursachen hat das? Dazu höre ich weder von Oskar Lafontaine noch von Klaus Ernst Grundlegendes.

Lafontaine will klaren Oppositionskurs …

Mit der Ansage „Kurs halten, keine Debatten, eine möglichst stromlinienförmige Partei“ sind wir doch gescheitert. Mein Vorbehalt gegen Lafontaines Kandidatur ist: Es fehlt eine vernünftige Problemanalyse. Einige scheinen der Meinung zu sein, dass alles in Ordnung war, außer dass Oskar Lafontaine nicht Parteivorsitzender war. So geht es nicht. Sahra Wagenknecht hat zum Beispiel gesagt, dass unsere Partei nicht mehr zu erkennen ist, weil es unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns gibt. Das ist mir zu oberflächlich. Und: Zeitgleich mit der Wahlniederlage in Schleswig-Holstein und in NRW haben wir bei den Kommunalwahlen in Thüringen einen historischen Erfolg erzielt. Das wird überhaupt nicht thematisiert.

Und das zweite Problem?

Bild: dapd
Im Interview: WULF GALLERT

, 48, ist Fraktionsvorsitzender der Linken in Sachsen-Anhalt. Der gebürtige Havelberger war in der DDR Unterstufenlehrer. Nach 1990 studierte er Politikwissenschaft und zog 1994 erstmals für die PDS in den Magdeburger Landtag ein.

Das ist Oskar Lafontaines Ansage, nur zu kandidieren, wenn Dietmar Bartsch verzichtet. Und er ist der Meinung, dass in dem Führungsteam nur Menschen vertreten sein dürfen, die er persönlich ausdrücklich akzeptiert. Das ist eine patriarchale Vorstellung von der Partei. Darauf sollen wir uns einlassen, ohne dass er uns eine überzeugende inhaltliche Analyse präsentiert. Das hat mit einer emanzipatorischen Linken nichts zu tun.

Bleiben Sie in der Linkspartei, wenn Lafontaine sich durchsetzt?

Ich habe in dieser Partei, der ich ein bisschen länger angehöre als Oskar Lafontaine, schon Schlimmeres erlebt. Ich habe seit 1989 viele Anfeindungen über mich ergehen lassen und bin in der Partei geblieben. Ich werde nicht austreten. Und ich lasse mich nicht unterbuttern.

Empfinden Sie Lafontaines Inszenierung als Angriff?

Das ist die klare Ansage: Er will Parteivorsitzender werden, wenn es keine kritische Auseinandersetzung mehr mit ihm in der Partei gibt. Das ist ja nicht grundsätzlich neu. Alle Analysen von Klaus Ernst in den letzten zwei Jahren klangen ja genauso: Wir müssen monolithisch sein, dann geht es wieder aufwärts. Neu ist nun die Schärfe und Offenheit, mit der diese Position vorgetragen wird.

Wie geht es weiter?

Ich wünsche mir, dass vom Parteitag in Göttingen zwei Signale ausgehen: Die Linkspartei ist von ihrem Wesen her pluralistisch, und diese verschiedenen Positionen sind so kompatibel, dass wir zusammen etwas erreichen.

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11 Kommentare

 / 
  • M
    Micha

    Lafontaine erpresst seine Partei. Das macht Bartsch auch (für mich kommt nur Parteivorsitzender in Frage, Bundesgeschäftsführer ist ihm zu wenig)

     

    Beide Kandidaten zeigen, wie strukturkonservativ diese Partei ist. Der andere Vorzeigekandidat nicht minder. Gysi akzeptiert keine gleichberechtigte Fraktionsvorsitzende, da mag Satzung und Grundsatzprogramm über Emanzipation Festlegungen treffen. "Bei mir kann jeder machen, was ich will" - das ist das einigende Band dieser Truppe.

     

    Noch - aber Berlin zeigt es bereits - verfügt diese Partei über gut organisierte Mitglieder jenseits der 60. Das ist aber in ein paar Jahren auch vorbei. DIE LINKE hat im Osten ein Viertel weniger Mitglieder als die frühere PDS. Es reicht also nicht mal für eine putzige Regionalpartei im Osten.

  • V
    viccy

    Lafontaine hat richtig gehandelt, als er 1999 von seinem Amt als Finanzminister zurücktrat. Denn Schröder wollte unbedingt der Finanzwirtschaft in den Allerwertesten kriechen, bis ihm die Havannas zu den Ohren rauskommen. Dieses Gerede von wegen Fahnenflucht usw. ist typisch deutsch, aber inhaltlicher Nonsens, der auch nach der tausendsten Wiederholung nicht gehaltvoller wird.

     

    Lafontaine ist clever, dass er sich keinen zweiten innerparteilichen Krampf mehr antun will, nachdem er physisch auch nicht mehr topfit ist! ... Kein vernünftiger Mensch würde doch auch nur den Vorsitz von einem Kaninchenzüchterverein übernehmen, wenn damit auf absehbare Zeit Dauerzwist und Gestänkere einhergeht.

  • RL
    ronald lauth

    Rente mit 67 auch für Lafontaine oder war das mit 65 äh - auf jeden Fall schon eins zwei jahre her...

  • M
    Matze38

    Die Partei soll neutralisiert werden, damit sie im BRD-System keine Unruhe mehr stiften kann. Sie soll nach außen nicht mehr arbeitsfähig und im Inneren zerrissen und gelähmt werden.

     

    Mit Hilfe solcher Figuren wie Bartsch und Gallert, Gebhardt, Holter, Wawzy,…

    ist es bald erreicht.

     

    In keinem anderen westeuropäischen Land wird eine derartige mediale Hetzkampagne gegen Linke geführt wie hier. Wir können in jedem Fall von den erfolgreichen Schwesterparteien lernen: offensive linke Politik machen statt Anbiederei.

     

    Es gibt viele, auch viele in Ostdeutschland, die auf keinen Fall in den alten Stil der PDS zurück wollen, den Dietmar Bartsch verkörpert. Wenn die SPD, Spiegel, Springer und Co. nun Dietmar Bartsch als Vorsitzenden haben wollen, muß man sich als Linke doch die Augen reiben. Ich halte das für eine vergiftete Kampagne, die nur ein Ziel hat, nämlich Die Linke in die Bedeutungslosigkeit zu treiben und eine starke Partei links von der SPD zu verhindern.

  • M
    Matze38

    Die Partei soll neutralisiert werden, damit sie im BRD-System keine Unruhe mehr stiften kann. Sie soll nach außen nicht mehr arbeitsfähig und im Inneren zerrissen und gelähmt werden.

     

    Mit Hilfe solcher Figuren wie Bartsch und Gallert, Gebhardt, Holter, Wawzy,…

    ist es bald erreicht.

     

    In keinem anderen westeuropäischen Land wird eine derartige mediale Hetzkampagne gegen Linke geführt wie hier. Wir können in jedem Fall von den erfolgreichen Schwesterparteien lernen: offensive linke Politik machen statt Anbiederei.

     

    Es gibt viele, auch viele in Ostdeutschland, die auf keinen Fall in den alten Stil der PDS zurück wollen, den Dietmar Bartsch verkörpert. Wenn die SPD, Spiegel, Springer und Co. nun Dietmar Bartsch als Vorsitzenden haben wollen, muß man sich als Linke doch die Augen reiben. Ich halte das für eine vergiftete Kampagne, die nur ein Ziel hat, nämlich Die Linke in die Bedeutungslosigkeit zu treiben und eine starke Partei links von der SPD zu verhindern.

  • Y
    yberg

    nach künast und spätestens nach röttgen müßte auch lafontaine das licht persönliche GLAUBWÜRDIGKEIT aufgehen.

     

    der job- und menschinnenhopper lafontaine hätte allen grund seine eigene glaubwürdigkeit auf den prüfstand zu stellen,wenn er sich um weitere partei- und öffentliche ämter bewirbt und seine glaubwürdigkeit und seine person bedingungslos zur abstimmung zu stellen.

     

    dem wetterwendischen paradiesvogel und stehaufmännchen auf seinen kapriolen zu folgen schaffen immer weniger wähler,nicht nur in der saarländischen diaspora.

     

    da nützt es ihm auch wenig,wenn lafontaine im medialen dauerbetrieb die monstranz

    gesellschaftliche fehlentwicklungen und damit verbundene himmelschreiende ungerechtigkeiten vor sich herträgt und zurecht hinterfragt und kritisiert und lösungen vorschlägt.

     

     

    auch uns papst wird schließlich nicht nur von seinen gläubigen dauerhinterfragt.

  • WM
    Wolfgang Menzel

    Ihren Kommentar hier eingeben

    In der Zeit von 2005 bis 2009 fällt die Analyse für

    Oskar Lafontaine sehr gut aus. Danach war mit Wulf Gallert der Abwärtstrend perfekt. Deshalb spricht Wulf Gallert reichlich desorientiert.

  • D
    Detlev

    Für Wulf Gallert geht es um Sachsen Anhalt - er muss nicht in West-Bundesländern antreten. Wenn er es täte, würde er wohl knapp das DKP der 1970er erreichen. Die Linke ist eine Partei im Abflug, bald im Sturzflug und dann werden die Leute in der Partei jeden am Baum aufhängen, den sie finden können, aber eben nicht diese kleinen Lichter aus den Ost-Bundesländern. In Nordrhein-Westphalen hätte die Linke wesentlich besser abschneiden müssen und dieses Bundesland zählt anders als Sachsen Anhalt - bundespolitisch, nicht innerparteilich.

  • B
    Bert

    Außer Kritik hat Herr Gallert seinerseits auch nicht viel zu bieten. Wo sind denn seine Inhalte?

     

    Die schlimmsten Kritiker der Elche...

  • R
    R.J

    Nun leider war die Linke oft nicht „monolithisch“ - heißt solidarisch - wenn in den letzten 2 Jahren Anfeindungen von außen kamen, sondern man ließ Solidarität stark vermissen, wenn es denn die anderen in den eigenen Reihen traf, die man nicht so ab konnte.

    Das habt ihr wohl alle noch was zu lernen in der Linken, wenn es darum geht, leben und leben zu lassen.

    Macht das mal bitte schnell, denn noch gibt es genug Leute, die eine Linke wollen.

  • W
    Weinberg

    Was ist der Unterschied zwischen Gott und einem Lehrer?

     

    Gott weiß alles, und ein Lehrer weiß alles besser!

     

    Es bestehen ernsthafte Zweifel, ob Herr Gallert bereits gemerkt hat, dass für die „neue“ Linkspartei kein (ehemaliger SED-)Apparatschik als Bundesvorsitzender gesucht wird. Mit einem Kandidaten ohne Charisma wird die Linkspartei keinen Blumentopf gewinnen!

     

    Offenbar sehnen sich manche ostdeutschen Funktionäre nach einer Wiedergeburt der Ost-PDS. Damit würde die Linkspartei ihren (gesamtdeutschen) Anspruch aufgeben, die Gesellschaft insgesamt zu verändern.

     

    Die Ost-PDS wird als Regionalpartei auch nicht mehr im Bundestag vertreten sein. Bartsch kann dann seine Intrigen (an denen allerdings bei WELT, SPIEGEL, TAZ u. Co. kein weiteres Interesse mehr bestehen wird – denn der Pudel hat seine Schuldigkeit getan) in Hinterpommern weiter spinnen!