Linke-Parteitag beschließt „Öffi-Flatrate“: Ohne Ticket in den Wahlkampf
Die Linke legt am Samstag auf ihrem Parteitag ein neues Verkehrskopzept vor. Jeder Berliner soll monatlich 30 Euro zahlen.
Niemand muss mehr im Bus nach Kleingeld kramen, am Fahrkartenautomat anstehen oder Angst vor Ticketkontrollen haben – für den öffentlichen Nahverkehr bezahlen dafür alle, egal ob sie ihn nutzen oder nicht. Das ist die Vision des fahrscheinlosen Nahverkehrs, der sich nicht über die Einnahmen aus Ticketverkäufen, sondern durch Beiträge aller BerlinerInnen finanziert.
Diese Idee geistert schon länger durch die Stadt – als eines der Hauptthemen der Piratenfraktion, als von der Parteijugend durchgesetzter Bestandteil im Programm der Grünen und seit diesem Samstag nun auch als Wahlkampfansage der Linken: Auf ihrem Landesparteitag beschloss die Partei mit großer Mehrheit einen Leitantrag zu Mobilität, dessen Kern die „Öffi-Flatrate“ bildet.
Alle BerlinerInnen sollen dabei einen monatlichen Beitrag für den öffentlichen Nahverkehr zahlen. Im Gegenzug bekommen sie ein Berlinticket, mit dem sie das Netz der BVG und S-Bahn nutzen können. Laut Modellrechnungen der Linken läge der notwendige monatliche Beitrag bei etwa 30 Euro – eine AB-Monatskarte ist aktuell mit 62 Euro im Jahresabo mehr als doppelt so teuer.
Die momentan geltenden Ermäßigungen, etwa für SozialhilfeempfängerInnen, soll es weiterhin geben, Kinder unter sechs Jahren sollen wie bisher nichts zahlen müssen. Aktuell nehmen die BVG und S-Bahn gemeinsam knapp 900 Millionen pro Jahr aus Ticketverkäufen ein. Gleichzeitig fallen für den Ticketverkauf aber auch Kosten an, die im fahrscheinlosen Nahverkehr eingespart werden könnten – hierzu gibt es bisher allerdings wenig belastbare Zahlen.
Fahrscheinloses Fahren
Das Konzept der Linken sieht vor, dass Touristen und Pendler weiterhin Fahrscheine kaufen müssten, wenn sie Bus oder Bahn fahren wollen. Die Piraten wollen das nicht: In ihrem Vorschlag gibt es überhaupt keine Tickets mehr, damit würden auch sämtliche Fahrkartenautomaten, Verkaufsstellen und Ticketkontrollen überflüssig.
Den Grünen wiederum schwebt vor, die Stoßzeiten werktags zwischen 7 Uhr und 10 Uhr vom fahrscheinlosen Fahren auszunehmen. Wer in dieser Zeit fährt, soll weiterhin ein Ticket kaufen müssen, allerdings sollen diese dann nur noch die Hälfte der aktuellen Preise kosten. Damit soll auch ein Hauptproblem aller Ideen zum fahrscheinlosen Fahren entschärft werden, nämlich die allen Prognosen und Erfahrungen nach vermutlich explosionsartig ansteigenden Fahrgastzahlen.
Auch wenn es zwischen den Konzepten der Oppositionsparteien Unterschiede gibt: Spätestens nachdem sich nun auch die Linke das Thema auf die Fahnen geschrieben hat, ist klar, dass es im kommenden Abgeordnetenhauswahlkampf eine zentrale Rolle spielen wird. Bis dahin ist möglicherweise auch das Problem des Datenmangels gelöst: Ende Juni sollen die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vorgestellt werden, die das Hamburg Institut im Auftrag der Piratenfraktion erstellt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen