Linke Berlin: Freundliche Übernahme
Allein am Montag traten Hunderte AktivistInnen der Berliner Linken bei. Die Partei will die Neueintritte als Chance sehen.
Seit die umstrittene Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht am 19. Oktober ihren Abschied von der Linken zugunsten ihres unbescheiden nach ihr selbst benannten „Bündnis Sahra Wagenknecht“ verkündet hat, habe es in Berlin Koch zufolge insgesamt 466 Eintritte in die Partei gegeben und 114 Austritte. Die Linke in Berlin liegt damit erneut bei über 7.000 Mitgliedern.
Die Parteiführung schaut dabei genau auf den schlagartigen Zuwachs aus Kreisen der radikalen Linken. Eine Unterwanderung? Darüber mache er sich keine Sorgen, sagt Geschäftsführer Sebastian Koch. Die Partei sei strukturell gut gewappnet. „Wenn jemand käme mit 300 Leuten und sagen würde: Jetzt übernehmen wir mal die Linke in Berlin, das würde organisatorisch schon nicht funktionieren.“ Die neuen Mitglieder seien großteils Leute, die lange politisch aktiv sind, was ein Gewinn sein könne.
Wie Linke-Landeschef Maximilian Schirmer sagt, gebe es Neueintritte durch alle gesellschaftlichen Schichten hinweg. „Die Befürchtung, dass das ein geschlossener, monolithischer Block ist, die sehen wir aktuell noch nicht.“ Man müsse sich anschauen, was sie inhaltlich mitbringen, die Strukturen der Partei seien stabil.
Die Co-Vorsitzende Franziska Brychcy spricht dennoch von einer „Herausforderung“. Viele Bezirksverbände organisierten spontane Neumitgliederversammlungen. Es brauche für die Neuen nun eine Willkommenskultur. „Wir müssen uns öffnen und das als Chance begreifen. Das wird ein spannendes Experiment“, sagt Brychcy.
Besonders viele Eintritte in Neukölln
Von den Eintritten am Montag entfielen allein 100 auf Neukölln; Friedrichshain-Kreuzberg verzeichnete 63 und Mitte 30. In Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf, die bis vor Kurzem bei Wahlen als linke Hochburgen galten, bewegt sich hingegen weniger. Doch auch dort sei der Saldo von Ein- und Austritten nach dem Abgang Wagenknechts zumindest „nicht negativ“, sagt Geschäftsführer Koch.
Etwas anders sieht es dagegen in Tempelhof-Schöneberg aus: Während die Wagenknecht-Fraktion in Berlin ansonsten unterrepräsentiert war, gab es im dortigen Bezirksverband schon in der Vergangenheit deutlich mehr Unterstützer.
Nach Alexander King, Abgeordnetenhausmitglied aus Tempelhof-Schöneberg, kündigte vergangene Woche unter anderem auch Bezirkschef Martin Rutsch seinen Parteiaustritt und den baldigen Wechsel zum Wagenknecht-Verein an. Die Linke in Tempelhof-Schöneberg wählen am 30. November einen neuen Vorstand. Franziska Brychcy sagt: „Wir gehen davon aus, dass der Bezirksverband sich stabilisieren kann.“
Der Landesvorstand will den Blick ohnehin gerade vor allem auf den eigenen Parteitag am Freitag lenken, eine Woche nach dem Bundesparteitag in Augsburg. Der thematische Dreiklang zum Berliner Treffen lautet: Wärme, Gesundheit und Bildung. „Wir betrachten die soziale Sicherheit als Grundpfeiler der Demokratie“, sagt Maximilian Schirmer. Mit großen Debatten zum Abgang Wagenknechts rechnen die Parteivorsitzenden nun nicht mehr. „Personenbezogene Streitereien“, so Schirmer, seien vorbei. „Wenn wir streiten, streiten wir über Politik.“
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