: Limbach und Luther für Bordelle und Huren
■ Debatte über Einführung eines Sperrbezirks in Tiergarten Tabulose Senatoren: Prostitution „ein Beruf wie jeder andere“
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) hält die Zeit für „reif“, Prostitution „wie jeden anderen Beruf“ mit entsprechender sozialer Absicherung anzuerkennen. Und Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) ruft die Berliner Huren auf, sich „zusammenzutun“, um eigene Bordelle zu gründen. Diese Appelle erklangen auf einer Anhörung am Dienstag abend über das Für und Wider der Einführung eines Sperrbezirks im Bezirk Tiergarten Süd rund um die Potsdamer- und Lützowstraße.
Obwohl über das Thema schon ausgiebig diskutiert worden ist, war es den die Anhörung veranstaltenden Anwohnerinitiativen gelungen, zwei StaatssekretärInnen und drei SenatorInnen als TeilnehmerInnen zu gewinnen. Das Ereignis des Abends: In Luther machte sich erstmals ein CDU-Regierungsmitglied für die Anerkennung des ältesten Gewerbes der Welt mit allen Rechten und Pflichten stark. [Guten Morgen! d.L.] Gegenüber der taz begründete Luther dies mit der gesundheitlichen Fürsorgepflicht. Die gebiete es, „über Tabus und Hürden zu springen und nach unkonventionellen Lösungen zu suchen“. Die Forderung wird von der Hurenselbsthilfe-Organisation Hydra schon lange erhoben, noch gibt es aber kein Land auf der Erde, in dem die Anerkennung vollzogen ist. Aber auch Justizsenatorin Limbach erntete für ihren Vorschlag von den Anwohnern und Huren für ihren Vorstoß Applaus. Die in dem Kiez durch die Drogenszene und die Straßenprostitution entstandenen Probleme würden durch einen Sperrbezirk nicht gelöst. „Mit einer zusätzlichen Kriminalisierung“, so Limbach, „wird nichts erreicht.“ Viele Probleme könnten gelöst werden, wenn sich die Prostituierten mittels eines Gesellschaftsvertrages ein Bordell gründeten und dort ihrem Gewerbe nachgingen. Dies, so Limbach zur taz, falle nicht unter die Verbotsvorschrift des Paragraphen 180a Strafgesetzbuch (Förderung der Prostitution) und sei auch von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gedeckt.
Die im Auditorium sitzende Rechtsanwältin von Hydra, Margarete von Galen, vertrat dagegen, der Paragraph 180a stelle ein großes rechtliches Hindernis für jeden Fortschritt dar: Das Gesetz lasse nur Zimmervermietungen in Eroscentern und ähnlichem zu, nicht aber selbstverwaltete Bordelle, in denen Prostituierte, so wie in anderen Berufen auch, einer Angestellten-Tätigkeit nachgehen könnten. Eine Novellierung des Gesetzes sei überfällig, so von Galen zur taz, weil die Zivilgerichte daraus eine „Sittenwidrigkeit der Prostitution ableiteten und den Frauen damit jegliche Rechte wie Sozialleistungen verwerten“.
Der überwiegende Teil der Anhörung befaßte sich jedoch mit den schon vielfach beschriebenen Problemen in Tiergarten Süd. Die ebenfalls für eine Anerkennung des Hurenberufs eintretenden Anwohner der Lützowstraße forderten, den innerstädtischen Strich an eine „sozial verträgliche“ Stelle zu verlagern. Der Vertreter der Bürgerinitiative Potsdamer Straße trat für die Einrichtung von „sozial betreuten Räumen“ ein, in denen sich Fixer ihren Schuß setzen können. „Den öffentlichen Druckraum haben wir lange genug aushalten müssen.“ Eine drogenabhängige Prostituierte berichtete von alltäglicher Angst: „Wir sind die Gejagten“ – von Polizei, Anwohnern und immer unverschämter werdenden Freiern. Plutonia Plarre
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