piwik no script img

Lifestyle und hohe soziale Komponente

Auch bei der deutschen Hallenmeisterschaft am Wochenende in der Alsterdorfer Sporthalle wird die kleine Fangemeinde des Hockeysports wohl unter sich bleiben  ■ Aus Hamburg Matthias Greulich und Clemens Gerlach

Um den heißen Brei redet Hans-Ulrich Behr nicht herum. „Für den Aufwand ist das natürlich ein Witz“, sagt der Präsident des Harvestehuder Tennis- und Hockey-Clubs. Vier- bis fünfmal pro Woche wird beim amtierenden deutschen Hallen- und Feldhockeymeister trainiert, am Wochenende sind Punktspiele. Dafür gibt es durchschnittlich 500 Mark Fahrtkostenentschädigung pro Nase und Monat. Die Nationalspieler des Hamburger Erfolgsclubs bekommen zusätzlich 800 Mark von der Sporthilfe. Zumindest Schuhe, Trikots und Hockeystöcke werden vom Verein gestellt.

Damit in Zukunft angemessener entlohnt werden kann, haben die Harvestehuder den Leistungssportbereich im vergangenen Jahr aus dem Verein ausgegliedert. „Die Mitglieder wollten nicht länger mit den Kosten für die Bundesligamannschaft belastet werden“, erklärt Behr die langsame Professionalisierung, die der HTHC hierzulande am konsequentesten betreibt. Die Marketingrechte wurden komplett an die HTHC-Vermarktungs-GmbH abgetreten. Dafür überweist die Gesellschaft, deren drei Geschäftsführer Klubmitglieder sind, jährlich 150.000 Mark. Zusammen mit rund 40.000 Mark aus Eintrittsgeldern macht dies den Großteil des Etats der Bundesligamannschaft aus. Etliche sind skeptisch, ob am Ende die Rechnung aufgehen wird.

„Hockey ist in Deutschland nicht zu vermarkten“, hat Fritz Klein, Vizepräsident des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), resigniert. Allenfalls in Hamburg und Mülheim sehe es regional etwas besser aus, sagt der ehemalige Sportchef der ARD. Bundesweit ist das Interesse jedoch gering. Nur widerwillig berichtet das Deutsche Sport-Fernsehen (DSF) von der Hallenendrunde der Männer an diesem Wochenende. Vor zwei Jahren hat der Münchner Spartensender die Übertragungsrechte vom DHB erworben. Doch froh ist das DSF, das jährlich zehn Stunden Hockey senden muß, damit nicht geworden. „Das DSF will sich verstärkt auf Fußball, Handball und Motorsport konzentrieren“, ist Christian Toetzke, Organisator der Hallenendrunde, enttäuscht. Die Halbfinalspiele HTHC–Rot- Weiß München sowie Dürkheim–Mülheim werden nicht live übertragen. Dabei hatte sich Toetzke bei der Präsentation an großen Vorbildern orientiert. „Wir haben DJs verpflichtet, die die Spiele musikalisch untermalen sollen“, sagt der 31jährige, der eine Atmosphäre wie bei US-Sportarten kreieren will. Das DSF war dennoch nur bereit, das Finale am Sonntag um 15.30 Uhr zu bringen – immerhin.

Noch immer gilt das komplizierte Regelwerk als hauptverantwortlich für die mangelnde Attraktivität des Mannschaftssports mit der tennisballgroßen Hartgummikugel, in dem Deutschland seit zwei Jahrzehnten zur Weltspitze gehört.

Der DHB hat aus der geringen Verbreitung die Konsequenzen gezogen. Die im April beginnende Feldsaison wird erstmals komplett ohne Abseits gespielt. Wie sich bei der versuchsweisen Einführung in der Bundesligasaion 1995 gezeigt hat, „werden mehr Tore fallen“, ist sich Klein sicher.

Im Hallenhockey sollen ebenfalls neue Wege beschritten werden. Im Vorprogramm der Endrunde wird es ein Demonstrationsspiel geben. Auf Anregung von Bundestrainer Paul Lissek soll unter dem Motto „Erlaubtes Hochspielen und verbotenes Rückhandspiel“ gezeigt werden, daß Hockey attraktiver dargebracht werden könnte. Doch ob ein paar Korrekturen in der Spielordnung reichen?

Der HTHC zumindest setzt auf ein anderes Pferd. Mit der Verpflichtung zweier pakistanischer Nationalspieler gelang, so Trainer Jost Miltkau, „eine rein sportliche Aktion mit hohem PR-Wert“. Tahir Zaman und Ahmed Shahbaz verstärkten die Harvestehuder in der Rückrunde der letzten Feldsaison. Zur kommenden Spielzeit können die Hamburger mit einer weiteren spektakulären Aktion aufwarten: Ab April wird mit dem 25jährigen Christoph Bechmann der fünfte Nationalspieler beim HTHC anheuern. Vereinswechsel kommen im feinen Hockeysport einem Sakrileg gleich, bei der Verpflichtung der pakistanischen Gastspieler hatte die halbe Bundesliga getobt. „Wettbewerbsverzerrung“, giftete Rekordmeister Uhlenhorst Mülheim, der seine führende Position an den HTHC verloren hat.

Die Mannschaft um Kapitän Christian Blunck ist auch diesmal hoher Favorit in der Alsterdorfer Sporthalle. Als „Highlight des deutschen Hockeysports“ ist die zweitägige Veranstaltung angekündigt. Neue Zuschauer sollen angezogen werden. Doch vermutlich werden nur die kommen, die ohnehin schon seit Jahren stets dabei sind. Sein Flair beziehe der Hockeysport „nicht durch die Masse, sondern durch die Individualität seiner familiären Fangemeinde mit Lifestyle und hoher sozialer Komponente“, heißt es in einer Vermarktungsbroschüre des 65.000 Mitglieder starken DHB. Selber schuld, wenn die meisten abwinken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen