: Ließ der Regierungschef seinen Minister bespitzeln?
■ Affäre Rauls in Sachsen-Anhalt
Magdeburg (taz) – Mit sehr unterschiedlichen Sichtweisen gehen Regierungsfraktion und Opposition an die bisherigen Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur sogenannten Ausspähaffaire um Sachsen- Anhalts Ministerpräsident Werner Münch (CDU) und seinen Stellvertreter, Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) heran. Im Sommer vergangenen Jahres war Münch in verschiedenen Medien vorgeworfen worden, möglicherweise den Auftrag zu einer Ausspähung Rauls gegeben zu haben, nachdem zweifelhafte Gerüchte über eine Stasi-Belastung des Umweltministers umliefen.
„Tatsächlich könnte es sein, daß Münch einen direkten Auftrag zur Ausforschung seines Stellvertreters nicht gegeben hat“, stellte auch der Ausschußvorsitzende Manfred Püchel in seiner Zwischenbilanz fest. Wasser auf die Mühlen der CDU: „Eine Münch/ Rauls-Affaire hat es nie gegeben“, triumphierte der stellvertretende CDU-Fraktionschef Jürgen Scharf.
Dennoch hat Püchel wohl recht, wenn er sagt, daß die bisherigen Zeugenvernehmungen noch viele Fragen offengelassen haben. Über mehrere Wochen hat der Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Magdeburg, Jürgen Schaper, 1991 in der Vergangenheit von Rauls herumgeschnüffelt. Seine entsprechenden Vermerke sind auch über Schreibtische in der Staatskanzlei gelaufen.
Dennoch fühlte sich Münch nicht in der Lage, den Schnüffeleien Schapers Einhalt zu gebieten. „Der Ministerpräsident hat keinen Einfluß darauf, was eine Bundesbehörde macht“, findet auch Jürgen Scharf. Der kleine Schönheitsfehler an der Sache ist nur, daß auch die Bundesbehörde, das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln, nicht wußte, was ihr Vertreter in Magdeburg so trieb. Schaper schickte seine Vermerke nämlich nicht nach Köln, sondern ausschließlich an das Innenministerium und die Staatskanzlei in Magedburg.
Werner Münch will die Vermerke jedoch nie gesehen haben. Er sei allenfalls mündlich von deren Inhalten unterrichtet worden, sagte er in seiner Vernehmung vor dem Ausschuß. Unklar bleibt dabei aber, wie auf einen der Vermerke eine Paraphe kommt, die Münchs Unterschrift auffallend gleicht. Aber das nachzufragen, vergaß der Untersuchungsausschuß.
Münch wird also womöglich noch einmal vorgeladen werden müssen. Wahrscheinlich nach der Aussage Schapers, der in einem Vermerk an sein Bundesamt erklärte, nach Gesprächen mit Vertretern der Staatskanzlei und des Innenministeriums habe er den Eindruck gehabt, „daß man von mir einfach erwartete, Vorschläge zu unterbreiten und diese auch auszuführen.“ Eberhard Löblich
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