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Lieferstopp nicht nur in DeutschlandEuropas Milchbauern halten zusammen

Einen Tag nachdem die deutschen Milchbauern in den Ausstand getreten sind, streiken auch europäische Nachbarn. Am Wochenende könnten Milchprodukte im Supermarkt knapp werden.

Auch in den Nachbarländern mehren sich Boykotte seitens der Milchbauern. Bild: dpa

Der Boykott der Milchbauern weitet sich aus - nicht nur in Deutschland, sondern inzwischen auch in den Nachbarstaaten. Auf die wollte der Einzelhandel eigentlich zurückgreifen, wenn deutsche Bauern streiken. Ab Freitag könnte es daher eng werden in den Supermärkten, sagen die Initiatoren des Protestes.

Am Dienstag hatte der Bund deutscher Milchviehhalter (BDM) zum Lieferboykott der Molkereien aufgerufen. Der Verband deckt knapp die Hälfte der hierzulande produzierten Milch ab. Er will einen Preis von 43 Cent pro Liter durchsetzen, zurzeit sind es 25 bis 35 Cent. 90 Prozent seiner Mitglieder seien inzwischen im Ausstand. Bislang hatten Einzelhandel und Molkereien den Boykott heruntergespielt. Notfalls könne der Bedarf aus dem Ausland gedeckt werden. Das dürfte aber schwierig werden, da in den meisten angrenzenden Staaten nun ähnliche Proteste laufen, teils aus Solidarität, teils weil ähnliche Preiskämpfe ausgefochten werden.

An der Spitze des Protests in Österreich steht die IG Milch. Die weist ihre Mitglieder an, nur die Hälfte der produzierten Milch an die Molkereien zu liefern, der Rest soll im eigenen Betrieb verwertet werden. Wichtiger noch ist Ernst Halbmayr: "Keine Milch nach Deutschland". Er ist stellvertretender Geschäftsführer. Sein Verband deckt 30 Prozent der in Österreich produzierten Milch ab. "Wir wollen dem Wort Solidarität Substanz verleihen." Die meisten der Mitglieder seien dem spontanen Aufruf gestern gefolgt, sagt Halbmayr.

Auch in der Schweiz laufen die Boykotts. Schweizer Milchbauern können den Frust der deutschen Bauern wohl gut nachvollziehen: Sie kämpfen derzeit für einen "kostendeckenden" Milchpreis. Vergangene Woche sind Verhandlungen gescheitert, den Preis um von derzeit 75 Rappen (47 Eurocent) auf 82 Rappen zu erhöhen. Seitdem wurde vereinzelt gestreikt. Am gestrigen Mittwoch dann rief der Dachverband Schweizer Milchproduzenten (SMP) zum bundesweiten Boykott auf. Laut dem European Milk Board sind gestern Morgen in der Region um Zürich 60 bis 70 Prozent der Milch nicht angeliefert worden.

Proteste auch in Teilen Belgiens: Von den 500 Milchbauern der deutschsprachigen Region sei "eine Mehrheit" für einen Lieferstopp, sagte Erwin Schöpges, Vorstandsmitglied des belgischen Milchbauernverbands. Etliche Landwirte hätten schon mit dem Boykott begonnen, die Entscheidung, ob sich der französisch- und der niederländischsprachige Teil anschließen, stand gestern noch aus. In Dänemark sei kein Streik geplant, aber man würde die Milch eher wegschütten, als sie nach Deutschland zu verkaufen, sagte Peder Mouritsen vom dänischen Verband der Milchproduzenten.

Wann deutschen Supermärkten die Milch ausgeht, sei schwer abzuschätzen, sagt Sonja Korspeter, Geschäftsführerin des Dachverbands der europäischen Milchviehhalterverbände. "Es ist der erste Streik der Milchbauern überhaupt, wir haben keine Erfahrung." Ab dem Wochenende wird man es aber merken, nicht nur bei Frischmilch, sondern auch bei Joghurt und Käse. "Das Ausmaß ist derzeit nicht absehbar", sagt Eckhard Heuser, Geschäftsführer des Milchindustrieverbands. Derzeit sehe er noch keinen Mangel an Frischmilch. Genaueres will Heuser nicht sagen, auch um "keine Hamsterkäufe zu provozieren".

Mitarbeit: RWO, ISG, AZU

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4 Kommentare

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  • I
    Ivanfi

    Wäre es nicht die Aufgabe der MEDIEN gewesen, darzustellen, zu analysieren, dass in einer freien Wirtschaft, wie es in der BRD speziell und in der EU allgemein läuft, Gewalt vor Recht KEINERLEI Chance und auch nicht die geringste Daseinsberechtigung hat?

     

    Wäre es nicht Aufgabe der MEDIEN gewesen anstelle populistischer Töne gleich und unerschrocken die dumm-dreisten Bauernführer zu kritisieren, die, sich offensichtlich in einer Rauschorgie, das Naturgesetz, "Angebot und Nachfrage regeln den Preis" aus dem Angel heben zu können, einzubilden wagen?

     

    Wenn eine solche Politik, Gewalt vor Recht in der Praxis eine Rolle spielt, können sämtliche Berufsgruppen, die von Marktpreisen abhängen, (Handelsvertreter, deren Angebot Kunden ignorieren, Handwerker, die im Wettbewerb um Aufträge unterliegen, sämtliche Markthändler, die seit Jahren und Jahrzehnten am Rande der Verzweifelung existieren, etc.) mit der Nötigung der Kunden und der Konkurrenz erreichen, dass sie auch zum Zuge kommen.

     

    Anders formuliert, ist jedem, der bis 3 zählen kann bekannt, dass eine Politik, Gewalt vor Recht in unserer Gesellschaft keine Daseinsberechtigung hat.

     

    Auch dann nicht, wenn es immer wieder Klugsch… von Berufsgruppen-Vertreter, diese unterstützende Politiker, Journalisten gibt, die bereit sind ins populistische, verlogene Horn zu blasen und mit ihren ALTERNATIVEN, (Alternativ = das Gegenteil von logisch) fachlich völlig verworrenen Denkkonstruktionen die Öffentlichkeit betäuben.

     

    Nach dieser Masche können die Schweinezüchter, Rinderzüchter, Geflügelzüchter, die Eierproduzenten, Kleinstbrauereien oder große Getränkeproduzenten, die Getreidebauer, Kräuterbauer, Rapsölbauer, die Förster, die Holzproduzenten, die Stadtwerke, die Textilindustrie, die Computerbranche, die Autoindustrie, Bauindustrie, und sogar sämtliche Kirchen wegen dem so empfundenen Liebesentzug ihrer Kundschaft klagen und mit Boykott der Abnehmer und Blockade der Konkurrenten ihre Liebe und Aufmerksamkeit erzwingen.

     

    Jeder, (auch als Verbraucher) der die Augen offen hält, weiss, dass die Konkurrenz der Anbieter untereinander das Geschäft belebt.

     

    Ein ständiger Kampf der Ketten untereinander kennzeichnet das Einzelhandelsgeschäft. Wer hier den Ketten pauschal das Gegenteil, nämlich Preisabsprachen untereinander vorwirft, unterstellt, der offenbart es nur, wie wenig er sich in diesem Bereich auskennt.

     

    Die Ketten Aldi, Lidl, Edeka (mit Netto), Rewe, Tengelmann, etc. führen einen stillen, mörderischen Kampf untereinander, der genau so funktioniert, wie die Verbraucherzentralen, DLF-Wirtschafts-Journalisten, Wirtschafts-Politiker, vom Stadtrat bis EU-Komissare gerne sehen.

    Kein Mensch, der bis 3 zählen kann, käme auf die Idee, die Konkurrenz dieser Marktanbieter untereinander, die im Interesse der geringsten Verbraucherpreise tätig sind und zugleich die erfolgreichsten Zulieferer belohnend arbeiten, zu kritisieren oder bestrafen. Wer hier Hürden aufstellt, gefährdet die erfolgreiche Arbeit der gesamten Einzelhandelsbranche.

     

    Die Regularien, die im Bereich Handel vorhanden sind, gelten für Alle, daher haben diese keinerlei Einfluß auf die Kampfesszenarien, die unter den Anbieter-Teilnehmern stattfinden.

     

    Wenn also, wie im vorliegenden Fall, Lidl Mitte Mai mit einer Preissenkung für Milch (und Milcherzeugnisse) vorpreschte, war dies ein Reiz der Konkurrenz, (Aldi, etc.) die wiederum auch schon im April anhand des Überangebotes (Edeka, Plus, Rewe) Werbewochen für Butter für 61-65 Cent/250g starteten.

     

    Dass Lidl als natürliche Reaktion einen weiteren Schritt tat, ist in jeder Situation, in jeder Branche vollkommen üblich, gleich, ob es um Erzeugnisse im Centbereich des Einzelhandels oder im Bereich von Hunderte von Millionen Euros, um Schiffe, Flugzeuge, Industriekomplexe, etc., in internationalen Dimensionen geht.

     

    Demnächst könnten die Klein-Tankstellen gegen die Tankstellen-Ketten mit GEWALT losgehen. Würde man deren Forderungen für HÖHERE SPRITPREISE medial solidarisch begleiten?

    Dann würde (nach dem vorhandenen Muster bayrischer Milchbauer-Führer) man beginnen, mit Gewalt gegen XY vorzugehen, reihenweise und systematisch deren Tankstellen und Tanklager zu blockieren.

     

    Wer würde auf die Idee kommen, diese Gewalt zu akzeptieren?

     

    An solchem einfachen Beispiel ist es erkennbar, dass die Naturgesetze des Marktes, die Konkurrenz-Gehabe der Marktteilnehmer keineswegs ausgeschaltet werden können.

     

    Teilnehmer, die dies mit Gewalt versuchen zu tun, können niemals gewinnen. Selbst, wenn sie scheinbar im ersten Krieg gewinnen, die Schlacht verlieren sie zwangsläufig. Die Gesellschaft würdigt auf die Dauer die Gewalt, den Aufstand gegen die Naturgesetze nicht, weil ein jeder Gesellschaft selbst auf der Grundlage von Naturgesetzen funktioniert.

     

    Sollten die Gewalttäter DENNOCH (wie jetzt im bayrischen Milchstreit) die Unterstützung der Gesellschaft (DLF-Journalismus) erhalten, dann ist diese Gesellschaft schlicht und einfach krank, ideologisch deformiert und dafür tragen deren Politiker, Journalisten die Verantwortung.

     

    Sie tragen auch dann für die Gewaltverherrlichung die Verantwortung, wenn solche kurzfristig abgelaufene, verlogene, populistische Aktionen letztendlich keinen Sinn hatten und nichts, ausser gesellschaftliche Schäden, (LEBENSMITTELVERNICHTUNG, bei 850 Millionen HUNGERNDEN weltweit!) hinterlassen haben.

  • A
    Altona

    Ekelhaft finde ich auch die Vorstellung, dass man die evtl. weggeschüttete Milch sonst auch umsonst verschenken könnte. Ich denke jetzt nicht an Staaten in Europa, oder welche, die in diese Preisdrückung involviert sind. Aber das würde wohl ein Haltbarkeitsproblem geben...

    Trotzdem gefällt mir die Vorstellung nicht, Lebensmittel mutwillig wegzuschütten, solange nicht jeder Mensch auf dieser Erde genug zu essen hat, Preisdrüng hin oder her.

  • IN
    Ihr Name Nowroth

    Die Milchbauern kippen ihre Milch weg. Was machen die Beamten ? Sie baden darin und debattieren über die Möglichkeit auch die Eselsmilch mit EU-Mitteln zu fördern. Kleopatra läßt grüssen.

  • FG
    Fink, Gaby

    Es sind wieder einmal die Monopolisten, Genossenschaften, die an allem verdienen, nur der der "kleine Mann" muss jeden Preis bezahlen, sei es bei Energielieferungen, die um 60 % gestiegen sind. Da sollten Aldi & Co doch auch einmal zur Kasse gebeten werden.