Liebeserklärung: Ted Cruz
Der kreuzkonservative Republikaner verweigert auf dem Republikaner-Parteitag Donald Trump die Gefolgschaft
Es gibt wenig, wofür man Ted Cruz knuddeln möchte. Aber für diesen einen Moment, da er auf der Bühne der Quicken Loans Arena in Cleveland stand, die Menge ihn anbrüllte und forderte, dass er endlich sagen solle, dass er Donald Trump unterstütze in dessen Rennen ums Weiße Haus – für diesen Moment will man mit Ted Cruz abklatschen und ihn dann in den Arm nehmen. High five, Ted, geiler Auftritt.
Denn Cruz blickte all diese Menschen nur an, lächelte kühl und sagte: „Gott beschütze jeden von euch, Gott beschütze die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Abgang Cruz. Er hatte nichts zu Trump gesagt. Die Gesichter auf den Schreihälsen zeigten nicht nur Entsetzen, sie zeigten Hass.
Cruz hatte im Vorwahlkampf gegen Trump kandidiert – und verloren. Doch er ist der einzige prominente Anti-Trump-Republikaner, der nicht einfach dem Parteitag fernblieb, sondern die große Bühne nutzte, um Trump einen reinzudrücken.
Trumps (Vor-)Wahlkampf fußte zu einem nicht geringen Teil auf der Diffamierung seiner Gegner: Marco Rubio bezeichnete er nur als „Little Marco“ und Hillary Clinton als die betrügerische, unehrliche, gekaufte „Crooked Hillary“. Für Cruz hatte er den Spitznamen „Lyin’ Ted“ („Lügen-Ted“) erdacht, was noch harmlos ist, doch Trump ging weiter: Er rückte Cruz’ Vater in die Nähe des Attentats auf John F. Kennedy.
In einem Wahlkampf, in dem sich mit allerlei Lügen bekämpft wurde, sind sich anschließend überraschend viele Republikaner einig, dass man nun doch gemeinsame Sache machen sollte. Cruz scheint nicht an dieser plötzlichen Amnesie zu leiden und servierte seine Rache eiskalt.
Sein eigenes Kalkül könnte sein, nach einem Wahldesaster Trumps im November an die Spitze der Republikanischen Partei gespült und dann 2020 der nächste Präsident der USA zu werden – aber so weit, um ihm das zu wünschen, geht die Liebe zu Waffen-, Grenzzaun-, Anti-Homoehe- und Abtreibungsgegner-Ted dann doch nicht.
Sie reicht nur für diesen einen Augenblick von Cleveland. Jürn Kruse
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