Liebeserklärung an einen Bahnhof: Das Tor zu einer besseren Welt
Unser Autor liebt den Bahnhof Brenner. Er liegt zwischen Nord- und Südtirol und damit zwischen Österreich und Italien.
Mindestens einmal im Jahr fahren wir über den Brenner, einmal hin und – leider, wobei zu Hause ist es auch ganz schön – wieder zurück.
Wir fahren mit dem Zug, und wenn wir auf dem Hinweg – auf dem Rückweg ist es anders – am Brenner stehen, weil die Lok der DB gegen eine der ÖBB oder eine von Trenitalia gewechselt wird, ist das der Moment, an dem dieser stets etwas düstere Bahnhof, der mal wieder einen Anstrich vertragen könnte – oder eben gerade nicht –, ein Herzensort ist.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Einer, an dem noch alles vorausliegt; alles Schöne, alle Berge, die wir erklimmen oder nur betrachten, jeder Sauvignon in der Dorfbar, jedes Aufwachen und jedes Einschlafen, alle Knödel, jeder Schmarrn, Südtirol.
Hinter dem Brenner, so hieß es auf unseren Fahrten seit jeher, scheine die italienische Sonne. Und das stimmte immer, auch wenn es mal nicht so war. Wenn die Lok gewechselt ist, geht es weiter. Ist der Zug vorher schwerfällig der Passhöhe entgegengeruckelt, gleitet er jetzt federleicht hinab. In eine bessere Welt. Und jedes Mal denken wir: Das ist der schönste Moment der Reise.
Leser*innenkommentare
lesnmachtdumm
Und der scheiß Tunnel ? Bald Schlus is' mit der Romantik ! Erinnert ansonsten an Erich Kästners Hymne an die Zugfahrt ins Tessin - mit Tunnel. Bist durch, und plötzlich: Süden.
Martin Rees
Der Bericht weckte auch bei mir Erinnerungen, denn in der Nacht vom 25.5. auf den 26.5.83 gab die Lokomotive des Schnellzuges vor dem Brenner ihren Geist auf. Wir kamen aus Brindisi, zuvor aus Griechenland. Warum das auch in Erinnerung blieb? Die mit uns Reisenden hatten wegen des (verlorenen) Endspiels HSV - Juventus Turin mehrheitlich nicht ihre sonst so gute Laune. Das mussten wir jetzt noch mehrere Stunden aushalten, im Dunkeln und im Nebel vor dem Brenner, ausgestattet mit einem Mini-Weltempfänger, so nannte man ein Pocket-Radio mit Mittelwelle und Langwelle. Danke für die Assoziationen.
shantivanille
Schön geschrieben.
Bei dem Artikel musste ich schmunzeln.
Kenn ich gut das Gefühl. Begegnet mir auf die eine oder andere Art immer wieder im Leben.
Nicht nur am Brenner.
Kriege ich doch Lust bald mal wieder loszufahren.