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„Liebe taz...“

betr.: „Hier beginnt das Humornotstandsgebiet“, taz-bremen vom 23. April 2001

Angelika Hofner gebührt Dank für ihren Leserbrief, den man heutzutage schon fast als mutig bezeichnen kann. Über den Humorgehalt der Glossen von Herrn Engin kann und darf man ja wohl zumindest verschiedener Auffassung sein. Auch ich habe darüber allenfalls mal gelegentlich schmunzeln können (Kishon lässt grüßen). Aber darum geht es ja gar nicht. Die Frage ist doch, ob einem Journalis-ten das Recht abgesprochen werden darf, das Werk eines Satirikers kritisch zu kommentieren, nur weil dieser nicht dem deutschen Kulturkreis zuzuordnen ist. Sprich: nur weil dieser Ausländer ist. Wenn von ständig mit schlechtem Gewissen geplagten Zeitgenossen jede kritische, wenn auch noch so sachliche Meinungsäußerung sogleich als ausländerfeindlich oder gar rassistisch postuliert wird, geraten wir in eine bedenkliche, geradezu absurde Situation eines Denkverbots. Dieses wäre Rassismus mit umgekehrten Vorzeichen. Wenn ausländische Künstler, Intellektuelle und so weiter Kritik-Immunität genießen sollen, so reiht sich meines Erachtens diese Vorgehensweise nahtlos ein in den unseligen Maulkorb-Konsens zwischen Obrigkeit und Presse, ausländischen Straftätern eine Herkunfts-Anonymität zuzubilligen. Zugegeben handelt es sich hierbei um eine andere Thematik, jedoch gibt es bedenkliche Parallelen: Im ersten Fall wird ein Denkverbot ausgesprochen, im zweiten handelt es sich um eine Informationssperre, mit dem Ziel die Bevölkerung über den Anteil ausländischer Straftäter im Unklaren zu lassen. Wer zu solchen Mitteln greift, gibt damit seine absolute Hilflosigkeit gegenüber den Problemen der Ausländer-Integration zu. Mit der Haltung „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ wird man in den Köpfen mündiger Bürger nur Ablehnung ernten. Maulkörbe für Kritiker und Polizeireporter sind keine Mittel zur Bewältigung der gesellschaftlichen Probleme. Wer diese Probleme ignoriert oder verheimlicht, treibt die Wähler in die Fänge rechter Rattenfänger und bricht nach den Wahlen wieder in ein kollektives Wehgeschrei aus. Die Politik hat die Missstände zu verantworten, die Bevölkerung muss sie ertragen. Jeden, der diese Dinge beim Namen nennt, in die rechte Ecke zu stellen, ist zu billig.

Dieter Pauler

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