piwik no script img

„Liebe taz...“ Widersprüche in Milli Görüs

Betr.: „Gefährliche Grundausrichtung“, taz bremen vom 23. Oktober; „Totalitäre Intoleranz“, taz bremen vom 25. Oktober

Die Forderung des Verbotes von „Milli Görüs“ ist nicht nur ein Zeichen totalitärer Intoleranz, sondern sie ist gefährlich und kontraproduktiv für ein friedliches Miteinander. Seit Jahren beobachte ich die Entwicklung der „Milli Görüs“- Gemeinde (IGMG), Mevlana Moschee in Delmenhorst. Meine anfänglich starken Bedenken, die sich unter anderem auch aus den Berichten des Verfassungsschutzes nährten, musste ich dabei revidieren. Ich konnte feststellen, dass sich die Gemeinde in den Jahren auf den Weg gemacht hat, in dieser Gesellschaft anzukommen. Aus einem Gegeneinander wurde ein Nebeneinander und schließlich ein Miteinander. Heute arbeiten VertreterInnen der Gemeinde im Beirat eines Nachbarschaftsbüros (Träger: Diakonisches Werk), eines Mütterzentrums (Träger: Stadt Delmenhorst) sowie eines Christlich-Islamischen Arbeitskreises im Stadtteil Düsternort mit.

Zwei „Funktionäre“ der Gemeinde haben bei der Stadtratswahl in September dieses Jahres auf der Liste von CDU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN kandidiert. Dieser praktische Dialog fördert das Zusammenleben im Stadtteil und in der Stadt. Demgegenüber stehen die Informationen zum Beispiel der taz-Veröffentlichung von Eberhard Seidel und anderen, „Politik im Namen Allahs.“ Dieser Widerspruch ist aber gerade auch ein Widerspruch in der IGMG selbst. Die Rückwärtsgewandheit der „alten Funktionäre“ bricht sich in der Praxis der Reformer, der „neuen Funktionäre“. Im Interesse eines friedlichen Miteinanders gilt es diese Reformkräfte zu stärken – Verbotsandrohungen stärken die „alten Funktionäre“. Natürlich beinhaltet dieser Dialog auch den Streit und gegenseitige Kritik, aber dieser Streit, diese Kritik darf nicht ausgrenzen, sondern muss gleichberechtigt geführt werden und kann dadurch dem Ziel eines friedlichen Miteinanders in einer multireligiösen Gesellschaft dienen.

Noch eins: Es wird in der öffentlichen Diskussion zu recht problematisiert, dass sich IGMG als einzig legitimer Vertreter des Islam in Deutschland versteht (auch dies sehen Mitglieder, die ich kenne, anders). Das gleiche Problem haben wir mit dem offiziellen Katholizismus. Hier sind das die anderen christlichen Kirchen, die deutlich Protest einlegen. Warum melden sich z.B. die moslemischen Aleviten nicht deutlicher zu Wort? Es ist meines Erachtens (leider) festzustellen, dass bisher nur IGMG den Dialogweg eingeschlagen hat. Der Bremer CDU sei der freundliche Hinweis gegeben: Fragt mal bei Euren Parteifreunden in Delmenhorst nach. Karl-Otto Porip

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen