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„Liebe taz...“ Wider drohende Legendenbildung

Betr.: „Hennemann frei und niemand verantwortlich?“, taz bremen vom 22. August 2000

Der durch das Gericht bestellte Sachverständige, der Betriebswirtschafter Prof. Dr. Wolfgang Lück, hat eindeutig einen maßgeblichen Vorwurf gegenüber dem ehemaligen Bremer Vulkan-Vorstandsvorsitzenden Friedrich Hennemann widerlegt: Die 850 Millionen Mark Subventionen für die Ostwerften sind zwar im Rahmen des üblichen Cash-Managements in die zentrale Kasse nach Bremen geflossen. Sie wären jedoch wegen des höheren „Rückflusspotenzials“ jederzeit für die Investitionsfinanzierung der Ostwerften mobilisierbar gewesen. Damit kann Hennemann mit seinen Vorstandskollegen von diesem Anklagepunkt nur freigesprochen werden. Der Sachverständige bestätigt eine von mir von Anfang an dargelegte Kritik: Die Vertreter der beiden Großbanken im Aufsichtsrat haben weniger als Kapitalvertreter die Interessen des Unternehmens, sondern sich völlig überspitzt und kleinkariert auf die Absicherung ihrer Kredite an den Bremer Vulkan konzentriert. Eine Lehre aus dem Vulkankonkurs lautet: Gesetzlich muss eine Mitgliedschaft im Kontrollgremium Aufsichtsrat untersagt werden, wenn die betroffene Person gleichzeitig für einen Kreditgeber agiert, der beispielsweise mehr als zehn Prozent an den Gesamtkrediten dem Unternehmen verleiht.

Nach dieser sachverständigen Entdeckung rückt im Streit um die Schuldzuweisung wieder die Frage ins Zentrum: Hätte der Bremer Vulkan überleben können? Dagegen spricht nicht nur die unerbittliche Konkurrenz im Bau von Container-Schiffen vor allem durch technologisch-logistisch überlegene Werften – vor allen in Südkorea. Gewiss ist auch, dass selbst bei einer weitsichtigen Politik der kreditgebenden Banken das Unternehmen letztlich am Vorstandsvorsitzenden Friedrich Hennemann doch gescheitert wäre. Denn auch dies lehrt der Untergang des Vulkan: Mit einem „Management by Hennemann“ als Ein-Mann-Regiment „gegen den Rest der Welt“ hatte der Konzern dauerhaft keine Überlebenschance. Es gilt jetzt der dauerhaften Legendenbildung vorzubeugen, nach dem Motto, hätte man Hennemann gewähren lassen, gebe es noch den Bremer Vulkan. Ein schwerwiegender Fehler war, dass der Wechsel zu einem neuen Vorstand nach einer Vakanzzeit viel zu spät erfolgte. Wenn Hennemann jetzt mit seinen Vorstandskollegen vom Vorwurf des Missmanagements mit öffentlichen Geldern freigesprochen wird, so lässt sich jedoch seine maßgebliche Verantwortung für den Zusammenbruch des Bremer Vulkans nicht unter den Tisch kehren.

Prof. Dr. Rudolf Hickel/

Universität Bremen

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